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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht, um uns unsere eigene Welt zu schaffen.« Er blickte hinüber zur Insel, und vor seinem inneren Auge sah er sie blühen: ein Garten, wie ihn Gott nicht schöner schaffen konnte.
    Der Glanz der Sonne lag voll auf dem hohen Totempfahl am Strand.
    »Den werden wir wegschaffen!« sagte Paul. Er zeigte mit ausgestreckter Hand auf den Götzen. »Wir quartieren ihn um auf Viktoria-Eiland.«
    »Nein, Paulo!« Rainu klammerte sich an ihm fest. »Rühr ihn nicht an! Bitte, rühr ihn nicht an!«
    »Er gehört hierher. Viktoria-Eiland ist die Toteninsel … Anne-Eiland wird eine Insel des Lebens sein!«
    Er wollte hinuntergehen zum Floß, aber Rainu warf sich gegen ihn und stemmte die Beine gegen den Boden.
    »Bleib stehen!« rief sie. »Er wird sich furchtbar rächen. Er wird uns vernichten!«
    »Das eben möchte ich sehen. Und auch du sollst es sehen! Die Gestalt, die da drüben steht, ist Holz, Rainu. Bemaltes Holz, weiter nichts. Ich will es dir beweisen.«
    »Rühr ihn nicht an, Paulo!« schrie Rainu wieder. Sie klammerte sich an ihn, aber er trug sie fort zum Floß und setzte sie dort auf die Erde.
    »Bleib hier«, sagte er. »Ich schaffe es auch allein. Schau mir nur zu, Rainu – und bete, wenn du willst, aber laufe nicht davon. Du mußt lernen, daß ich stärker bin als diese Holzfratze!«
    Er band das Floß los, stieß es ins Wasser, sprang auf die zusammengebundenen Stämme und fuhr herum, als er hinter sich eine Erschütterung spürte. Das Floß schwankte gefährlich. Rainu war hinterhergesprungen. Sie kauerte auf den Stämmen, und ihre langen Haare wehten wie ein Vorhang über ihr Gesicht.
    »Du bleibst hier!« sagte Bäcker hart.
    »Nein, Paulo.«
    »Du hältst das nicht aus, Rainu!«
    »Ich gehöre zu dir, Paulo.«
    Er sah sie lange an, wandte sich dann ab, stieß das Paddel ins Wasser und trieb das Floß über die Meerenge. Welch ein Mädchen, dachte er überglücklich. Welch eine Liebe! Vater hatte Mutter, und sie waren eine Einheit, die später nur Mord und eine völlig entfesselte Natur zersprengen konnten. Ich habe Rainu, und ich möchte die Macht sehen, die uns jetzt noch trennen könnte!
    Es war ein herrliches Gefühl. Er holte tief Atem und stieß einen Schrei aus, wie ihn vor ihm noch kein Mensch ausgestoßen hatte. Rainu verstand ihn. Unter ihrem Haarvorhang starrte sie Paul an. In ihren Augen lag das Wunder einer vollkommenen Liebe.
    Später standen sie dann eng umschlungen vor dem riesigen Holzgötzen. Hinter ihnen, im Halbkreis, lagen vier halbverweste, von den Möwen zerhackte Leichen. Der süßliche Gestank war widerlich, machte das Atmen zur Qual, legte sich wie ekliges Fett auf die Schleimhäute.
    »Fangen wir an, Rainu«, sagte Paul heiser. »Bis zum Abend muß das Scheusal umgezogen sein … Ich rechne damit, daß morgen wieder Boote aus Vahua Oa kommen.«
    Er kletterte an dem riesigen Götzen hoch, benutzte die klobigen Beine, die vorgestreckten rotbemalten Hände und die Schultern als Stufen und erreichte den hohen Kopf mit den schrecklichen Glotzaugen. Ein paarmal rüttelte er an dem Schädel und merkte, daß es große Mühe kosten würde, die drei Teile zu bewegen und umzustürzen. Es war ein hartes, schweres Holz, das der Witterung trotzen sollte, unbeugsam wie der Gott, den es darstellte.
    »Geh zur Seite, Rainu!« rief Bäcker. Er stand auf der Schulter des Götzen und stemmte sich gegen den Kopfteil. »Er erschlägt dich sonst!« Sie winkte ihm zu, legte das Hüfttuch ab und kletterte nackt an den säulenartigen Beinen hoch.
    »Wir werden es gemeinsam tun, Paulo«, sagte sie, als sie neben ihm auf der Schulter des Götterstandbildes angekommen war. »Wenn er dich erschlägt, dann soll er auch mich erschlagen.«
    Paul Bäcker atmete tief und blickte hinauf in den Himmel. »Ich danke dir, mein Gott«, sagte er feierlich, »du hast mir eine herrliche Frau gegeben.«
    Gemeinsam stemmten sie sich gegen den Götzenkopf, schoben ihn von der Schulter, drückten und keuchten, bewegten ihn Zentimeter um Zentimeter vorwärts, bis er das Gleichgewicht verlor und hinunter in den Sand kippte. Es gab einen dumpfen Laut, als er aufschlug, und da er sich beim Fallen gedreht hatte, lag er mit dem Gesicht nach oben. Die gräßlichen Glotzaugen starrten Paul und Rainu strafend an. Rainu warf sich herum und drückte ihr Gesicht gegen Bäckers Brust. Das göttliche Strafgericht mußte sie treffen.
    »Jetzt –«, stammelte sie. »Paulo, jetzt wird er uns vernichten!«
    Auch Bäcker hielt unbewußt den

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