Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
noch andere Sachen. Ich versichere euch, Genossinnen und Genossen, dass ich diese Rheinländer auf unsere Seite ziehen werde. Ohne, ich betone, ohne eine Abspaltung des Rheinlands von Nordrhein-Westfalen.«
Als die Fraktionssitzung zu Ende war, wartete der Oberhausener Abgeordnete Wolfgang Große-Brömer vor dem Sitzungssaal auf Ophoven, der immer noch außer sich war. Er nahm ihn zur Seite:
»Mal ganz unter uns: Dir kommt doch der Tod von dem Förster auch nicht ungelegen? Oder?«
»Was willst du denn damit sagen?«
»Nur so …«
* * *
Nusselein war trotz des nahenden Feierabends noch einmal zur Redaktion gefahren. Elli durchtrennte gerade auf dem Schreibtisch eine Hefeschnecke mit einem viel zu großen Brotmesser. Kufka ließ laut die Kammer eines Luftpolsterumschlags platzen und knurrte, als sein Star-Reporter in die Redaktion stürzte:
»Oh, welch seltenes Gastspiel in diesen geheiligten Hallen.«
Nusselein war beleidigt und schrie:
»Gleich explodiere ich! Ich komme gerade aus dem Camp Elsenborn. Da führt nämlich eine ganz, ganz heiße Spur in dem Förster-Mord hin. Da haben mich Leute vom amerikanischen Geheimdienst zusammengeschlagen. Und auch die Belgier ziehen mit der CIA an einem Strang. Der Kommandant selbst hat verhindert, dass mich die Amis hingerichtet haben. Der Förster wusste zuviel, daher musste er sterben und ich bin auch nur im letzten Augenblick nicht exekutiert worden, weil die Belgier da diplomatische Probleme mit Deutschland auf sich zukommen sahen.«
Nusselein ließ sich theatralisch mit dem Rücken gegen ein Regal fallen und rutschte daran auf den Fußboden. Etwas ruhiger zog er Fazit:
»Also Klartext: Mich hätten die Amerikaner heute fast umgebracht. Ich arbeite Tag und Nacht an der Aufklärung des Förster-Mords und dann muss ich mir hier so was anhören. Ich habe keine Zeit für Hefeschnecken und ich muss auch gleich wieder weg, da ich einen wichtigen Informanten treffe.«
Dabei war sich Nusselein gar nicht so sicher, dass sein alter Gegenspieler, Gottfried Zimmermann von der Monschauer Kriminalpolizei, nicht doch ein abgekartetes Spiel mit ihm treiben würde.
Chefredakteur Kufka wurde wütend – vier Luftkammern mussten dran glauben:
»Dein Informant interessiert mich im Augenblick überhaupt nicht. Mich interessiert nur unser nächstes Heft. Und daher muss einer von uns heute noch unbedingt zu den ›Monschauer Klassik-Freunden‹, diesem Verein aus gelangweilten Oberstudienrat-Ehefrauen und Ärzten vom Simmerather Krankenhaus. Die machen heute in der Aula der Hauptschule einen Vivaldi-Abend mit irgendeinem Geiger, den keiner kennt. Da die aber immer eine Riesen-Anzeige schalten, müssen wir dazu eine Kritik bringen. Da ich keine Ahnung von Musik habe, würde ich sagen, dass du das machst.«
»Ich verstehe was von Rock, aber nicht von Wie-Waldi«, maulte Nusselein.
»Egal, morgen früh, wenn ich ins Büro komme und du dich in deinem Wohnwagen wahrscheinlich noch einmal auf die Seite drehst, möchte ich deinen Aufsatz hier liegen sehen.«
Nusselein hasste Kufka für die Vorabverurteilung seiner literarischen Kunstwerke durch das gemeine Wort »Aufsatz«. Und er hasste solche Termine.
Am Abend fuhr er kurz zur Hauptschule, zerrte den verdutzten Geiger Horst-Eberhard Trautwein aus der Garderobe auf die Bühne, machte ein Foto von recht geringem künstlerischem Wert und lies sich dann unter vielen wichtigtuerischen Gebärden das Programmheft geben.
Nusselein verabschiedete sich bei dem verdutzten Veranstalter, einem Hals-, Nasen- und Ohrenarzt aus Kesternich:
»Heute Nacht läuft hier in der Eifel ein dickes Ding ab. Aber ich werde natürlich etwas über Ihr Konzert schreiben. Wenn der Geiger erschossen wird oder sonst was Außergewöhnliches passiert, können Sie mich ja anrufen. Wie-Waldi brauche ich mir nicht mehr anhören, dessen LPs und CDs habe ich alle, wenigstens fast. Auf jeden Fall aus der Zeit, als der in den englischen Charts war.«
Dann fuhr Nusselein in die Redaktion, gab bei »google« schnell »Vivaldi« ein und fand tatsächlich auch eine »DIE ZEIT«-Kritik über eine CD-Aufnahme von Nigel Kennedy.
Die Autorenzeile »Von Wolfram Goertz« löschte er, verwarf aber nach längerem journalistisch-moralischem Nachdenken die Idee »Von Charly Nusselein« einzusetzen. Mit »Ersetzen« machte er aus Nigel Kennedy den völlig unbekannten Kölner Geiger Horst-Eberhard Trautwein aus den Berliner Philharmonikern einfach »Schüler der Musikhochschule Köln,
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