Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
Kopf.
»Du, Rüdiger-Fabian, das finde ich jetzt total nicht gut. Ich finde echt, dass du jetzt total in die Küche gehen sollst und dir ein Butterbrot machen sollst.«
»Warum haben die anderen Kinder immer Nutella zu Hause und wir nicht?«, maulte das Kind, ehe es sich tatsächlich trollte. Jürgen Lauscher streichelte inzwischen »Die Reise« von Bernward Vesper.
»Ausgabe letzter Hand«, murmelte er, »wir könnten ja zunächst alles in der Partei besprechen«, fuhr er fort und freute sich insgeheim über das antiautoritäre Klima, das in seinem Hause herrschte.
»Meinetwegen. Die fünf Anrufe gehen doch total schnell.«
»Ich finde immer noch, dass wir nicht reagieren sollten. Wer weiß, was die Fotze …«
»Na, na, na, das finde ich jetzt aber total Scheiße.«
»Ich zitiere nur im Sprachduktus von Andreas Bader. Also: Wer weiß, was die alles so weiß. Immerhin brauche ich dir ja wohl nicht zu sagen, dass uns der Tod von Förster nicht unbedingt ungelegen kommt.«
»Das sind doch total alte Geschichten. Glaube ich nicht, dass der die noch mal rausgekramt hätte.«
»Na gut, ich rufe mal rum.«
Rüdiger-Fabian betrat mit der Holzlokomotive den Raum, während Jürgen Lauscher liebevoll über »wenn p, dann q. – die widersprüche des momothetischen gesetzesbegriffs der empirisch-analytischen sozialwissenschaften und dessen doppelt ideologische funktion« streichelte. Alles klein geschrieben …
Dann traf ihn eine Holzlokomotive.
* * *
Charly Nusselein war fest überzeugt, dass Gottfried Zimmermann ihn reinlegen würde. Woher sollte sonst der Sinneswandel des Monschauer Kriminalkommissars kommen? Trotzdem wollte er die Chance nicht unversucht verstreichen lassen. Über das »Heidchen« fuhr er nach Höfen, wo die Bauarbeiten an der Bundesstraße tatsächlich, wie Hubert Rader gesagt hatte, begonnen hatten. Er wunderte sich allerdings, dass eine Baufirma aus Bitburg die Arbeiten durchführte, wie auf einem Schild mit der Aufschrift »Hier baut die Bundesrepublik Deutschland für Sie« zu sehen war. Darunter stand:
Durchführung: Firma US Universal-Bau GmbH
Otto-Str. 4, 54634 Bitburg, 06561-9384-0.
Nusselein notierte die Adresse und machte »für alle Fälle« noch ein Foto. Dabei überlegte er kurz, ob er nicht ein junges Mädchen auftreiben sollte, das neben dem Schild posen könnte. Er verwarf diesen Gedanken, da die Bequemlichkeit über seinen Hormonspiegel obsiegte.
Vorbei an der Höfener Mühle und durch das Kalterherberger Oberdorf fuhr er dann in zehn Minuten nach Belgien zu dem winzigen Flughafen Camp Elsenborn, über dem sich am Wochenende immer Hobby-Fallschirmspringer in die Tiefe stürzen. Die militärische Nutzung des kleinen Flughafens war dagegen völlig unbedeutend. Hin und wieder landete mal ein Hubschrauber mit einem hohen Militär oder einem Mitglied des belgischen Königshauses an Bord. Selbst der kleine Kontrollturm war während der Woche nicht besetzt.
Zunächst machte Nusselein nur Venn-Stille aus. Als er gerade wieder zu seinem Wagen gehen wollte, entdeckte er ein Bauschild, auf dem irgendetwas auf Französisch stand. Französisch gehört nicht unbedingt zu Nusseleins Talenten, ihm fiel allerdings eine Adresse auf, die er sofort von mehreren Seiten fotografierte.
Travaux en cours: US Universal-Bau GmbH
Otto-Str. 4, 54634 Bitburg, 0049-6561-9384-0.
Er stutzte: Warum baut diese Bitburger Straßenbaufirma auch auf einem belgischen Militärgelände? Weiter vertiefen konnte er diesen Gedanken nicht, da ihm jemand leicht auf die Schulter tippte und – als Nusselein sich umdrehte – eine Faust mit voller Kraft mitten ins Gesicht schlug. Das letzte, was er später glaubte, wahrgenommen zu haben, sei ein Farbiger von den Ausmaßen der Rocky Mountains gewesen, der einen grünen Trainingsanzug trug. Der Trainingsanzug entwickelte sich in Nusseleins Erinnerung im Laufe der nächsten Tage allerdings zu einem US-Kampfanzug.
»Immer diese Vorurteile gegen Roberto Blanco«, will Nusselein, wie er später behauptete, gedacht haben. Danach sei er bewusstlos umgefallen.
* * *
Die neue Fraktion der »F.R.« war zu ihrer ersten Sitzung in Düsseldorf zusammengekommen. Nach einer Schweigeminute für Ludwig Förster, die noch nicht einmal dreißig Sekunden dauerte, übernahm Johann Leisten, Abgeordneter aus Krefeld, den Vorsitz. Nachdem er gegen vier Neinstimmen zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden war, knüpfte sich die Partei sofort ein brisantes Thema von landespolitischer
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