Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
Nebenstelle Aachen« und aus »Welt« die »Eifel«.
Mit einer griffigen Überschrift hatte Nusselein zunächst Probleme, dann entschied er sich allerdings schnell:
Viel Spaß mit Vivaldi
Horst-Eberhard Trautwein hat in der Monschauer Hauptschule mit dem Italiener Vivaldi den Griff nach dem Lorbeer der kritischen Augen der Mitglieder der »Monschauer Klassik-Freunde« geschafft. Aus seiner Musik spricht die Skepsis gegenüber der Leichtigkeit des Grenzgängers, der sich das Visum für alle Kontrollen selbst ausstellt und es mit frivoler Musizierlust auch eigenhändig abstempelt. Horst-Eberhard Trautwein ist von dem Wunsch beseelt, seine vielen Passionen mit der ganzen Eifel zu teilen, mit ihr in Kommunikation zu treten und seine herzhafte Mission der Aufklärung ungehindert fortzusetzen.
Trotzdem hat Trautwein sich für seinen Vivaldi der Virtuosität der Schüler der Musikhochschule Köln, Nebenstelle Aachen, versichert, und es muss schon von einiger Bösartigkeit angekränkelt sein, wer nicht bemerken wollte, dass sich Trautwein mit dieser Einspielung vollends aus dem Kokon seiner Jugend befreit hat. Jetzt birst sein Vivaldi vor Farben, Phrasierungen, Stricharten: Zugleich hat Trautwein der historischen Aufführungspraxis, deren Errungenschaften er kritisch bewundert, den stilistisch korrekten Erlebnishunger abgelauscht, die Begeisterung für hauchend vibratolose Töne, für das Knirschen des Frostes, wenn der Bogen sul ponticello nahe an den Steg fährt oder derb auf die Saite schlägt, er riskiert jetzt abrupte Echos und füllig expressive Melodien, er kann sich aber auch zurückziehen in die Unhörbarkeit solistischer Stille, wenn der Zauber des Naturalistischen aus dem ganzen Orchester strahlt.
Nusselein las »seinen« Artikel nicht mehr gegen. Er räumte sich selbst gegenüber ein, dass er ihn nicht verstanden hatte und war auch sicher, dass Wolfram Goertz von der »ZEIT« ihn nicht mehr erkennen würde. Aus diesem Grunde setzte er noch schnell sein Kürzel »ChNu« unter das geklaute Machwerk.
»Viel Spaß mit Vivaldi, eine Knallerüberschrift« sagte er laut, als in der Redaktion alle Lichter ausgingen.
* * *
Als Charly Nusselein wenig später seinen Bauwagen ansteuerte, sah er den dunkelblauen Ford der Monschauer Kripo. Gottfried Zimmermann saß auf der Treppe zum Wohnwagen und schaute demonstrativ auf seine Uhr, die selbst aus zwölf Metern Entfernung wie ein Werbegeschenk der Gummi-Innung aussah:
»Eifel-Bild, ich warte schon seit einer halben Stunde hier in Ruitz-Gulag. Ich hatte dir doch extra auf deine Mailbox gesagt, dass ich vorbeikomme.«
»Habe ich nicht abgehört«, sagte Nusselein, während er seinen Wohnwagen aufschloss, »ich bin nämlich von amerikanischen Agenten am Flughafen Elsenborn zusammengeschlagen worden und dann musste ich auch noch zu Wie-Waldi. Jaulmusik.«
Zimmermann stutzte, als Incitatus mit einem Hechtsprung aus einem nahen Gebüsch an den beiden vorbei in den Wohnwagen sprang und vor seinem Fressnapf in eine Art Ohnmacht fiel.
Zimmermann hielt Nusselein an der Schulter fest:
»Was bist du? Jetzt mal die Fassung für Normale! Und lass bitte deine Übertreibungen.«
Nusselein sah den Kripobeamten wütend an:
»Was soll das heißen: Übertreibungen! Wie sagte doch schon Adorno: Wenn Philosophen, denen bekanntlich das Schweigen immer schon schwer fiel, auch aufs Gespräch sich einlassen, so sollten sie so reden, dass sie allemal unrecht behalten, aber auf eine Weise, die den Gegner der Unwahrheit überführt.«
»Du hast sie einfach nicht alle, Eifel-Bild. Also Klartext.«
»Es war, wie ich gesagt habe. Ich bin auf Grund des Tipps von dir nach Höfen und Elsenborn gefahren.«
»Ich habe allerdings keinem den Auftrag gegeben, dich zusammenzuschlagen, falls du darauf anspielen willst!«, unterbrach ihn der Polizist.
»Also, was mir da aufgefallen ist. Die Bauarbeiten in Höfen und die Bauarbeiten auf dem Flugplatz in Elsenborn werden von der gleichen Firma durchgeführt. Hier, habe ich aufgeschrieben: Firma US Universal-Bau GmbH, Otto-Str. 4, 54634 Bitburg, 06561-9384-0.«
»Gut, mein Lieber. Das war so ’ne Art Test. Aufgabe gelöst, Prüfung bestanden. Das mit der Baufirma war mir nämlich auch aufgefallen, und genau das hat mich stutzig gemacht: Da sollte unsere Arbeit ansetzen. Ich habe nämlich die Telefonnummer gecheckt. Gibt es überhaupt nicht. Und die Adresse habe ich auch von den Bitburger Kollegen überprüfen lassen. Otto-Straße 4 ist der Bauhof der
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