Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
Politikers sehr schnell freigegeben hatte, stand schon am nächsten Morgen die Beerdigung von Ludwig Förster auf dem Friedhof in Monschau an. An der Feier nahm auch Ministerpräsident Nils Steenken teil. Da politische Gründe für den Tod des Politikers nicht ausgeschlossen wurden, waren die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend. Auf dem Monschauer Markt standen mehrere Streifenwagen, und im Umfeld des Ministers wimmelte es von Männern mit etwas zu breiten Schultern, etwas zu kurzen Haaren, in etwas zu engen Anzügen mit etwas zu stark ausgebeulten Sakkos.
In der Kirche stand der Ministerpräsident neben Jutta und Hanna Förster. Auch Dr. Ophoven war nach Monschau gekommen, um sich nach der Beerdigung mit den beiden F.R.-Vertretern Willi Repper und Johann Leisten in einem separaten Raum des »Hirsch-Café« zu treffen.
Charly Nusselein und Gottfried Zimmermann hatten sich als Trauergäste verkleidet und nahmen hinter der Abordnung des Monschauer Stadtrats Platz. Auf Wunsch der Familie wurde die Messe von Eberhard Förster, einem Bruder des Verstorbenen und Pfarrer der »Liebfrauen«-Kirche in Trier, gelesen.
Mit bewegten Worten schilderte dieser seinen Bruder als einen sozialen Menschen, der das Wohl seiner Mitmenschen immer in den Mittelpunkt seines politischen Schaffens gestellt habe.
Von der Rheinland-Idee sagte er kein Wort.
Er schloss mit der Floskel von dem nächsten Toten, die »unserem Bruder Ludwig« nachfolgen werden.
Jutta Förster verfolgte die Trauerfeier mit versteinerter Miene. Bei der anschließenden Beerdigung auf dem Friedhof blieb die Familie unter sich – so war es der Wunsch der Witwe gewesen. Ministerpräsident Steenken reiste sofort mit Blaulicht nach Düsseldorf zurück, während sich hinter Ophoven und den beiden F.R.-Vertretern im Hirsch-Café die Türen schlossen.
* * *
Charly Nusselein machte vor der Kirche einige Fotos – »Nur so fürs Archiv!« – und fuhr dann noch einmal nach Elsenborn. Allerdings vermied er es peinlichst, seinen Wagen zu verlassen. Von dem angeblichen farbigen Agenten war weit und breit nichts zu sehen, von anderen Menschen aber auch nicht. Das Hohe Venn um den Flughafen Elsenborn lag völlig ruhig da. Durch den leichten Nebel drangen erste Sonnenstrahlen – das berühmte, unvergleichbare Sourbrodt-Licht, das von Malern so geschätzt wird.
4. B-Hunter
Nusselein wollte schon wieder in die Redaktion nach Monschau fahren, als ihm ein alter Freund einfiel. Der Niederländer war Wirt im nahen Rurhof und konnte auf Anhieb – je nach Nationalität des Gastes – dreisprachig den Namen dieser Landschaft aussprechen:
»Hohes Venn – Hautes Fagnes – Hoge Venen«
Rudi wusste alles, was sich auf dem Venn abspielte: Von un-ehelichen Kindern in Elsenborn bis Baumaßnahmen mit zweifelhaften Genehmigungsverfahren – dem fast immer freundlichen Niederländer aus Maastricht blieb nichts verborgen. Unfreundlich konnte Rudi nur werden, wenn man ihn »Holländer« nannte.
»Holländer sind Dösköpp, ich sage ja auch nicht Bayer zu dir!« Meist ließ Rudi dann noch ein Referat folgen:
»Holland, verdommet, ist nur ein kleines, nach meiner Meinung völlig überschätztes Gebiet der Niederlande: Im Westen Nordsee, im Osten Ijsselmeer. Auch Den Helder und Texel im Norden, und im Süden ist bei Rhein, Maas und Schelde schon das Ende gekommen. Und das ist es auch schon. Fast alles unter dem Meeresspiegel, die werden mal alle absaufen und dann gibt es nur noch Niederländer. Holland ist schon im 16. Jahrhundert der »Republik der Sieben Vereinigten Niederlande« beigetreten. Holtland, also Holzland, hieß nur die Gegend um Harlem. Aber für euch Deutsche ist alles Holland: Frau Antje mit ihrem Käse aus Holland und auch ich, Rudi van Krabbendijke aus Maastricht. Möchte der Bayer aus Monschau wie immer ein Leffe aus Belgien?«
Charly Nusselein kannte Rudi van Krabbendijke nämlich von zahlreichen Trappistenbier-Abstürzen auf dem Rurhof.
An diesem Tag war kein Gast in der urigen Kneipe und Nusselein kam sofort zur Sache:
»Hier oben auf dem Hohen Venn läuft was. Erzähl!«
Rudi lachte:
»Ah, die Deutschen haben es auch schon entdeckt. Schnell wie eure Fußballstürmer.«
»Bei uns ist ein Politiker ermordet worden.«
»Hab ich im ›Grenz-Echo‹ gelesen. Hat aber bestimmt mit hier nichts zu tun. Hier spielen die Amis Kriegsvorbereitung.«
»Das musst du mir genauer erklären.«
»Ja, ming Jong, das ist ein Riesending. Reden die belgischen Soldaten an der
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