Wer war ich im Vorleben?
sterben oder sie verlassen könnte, ließ sie niemanden näher an sich heran. Als ihr jetzt die Ursache klarer war und sie auch erkannte, dass der Lebensplan von Margret nicht auf Rückzug aus war, fühlte sie sich wie befreit. Zudem wusste sie: Auch Abschied gehört zum Leben, und zugleich: Er ist nicht für immer. Rückzug und Davonlaufen sind keine guten Lösungen.
Xaver T. – Erfolg hat zwei Gesichter
Kl.: (höchst erstaunt) Dieses Mädchen, diese ungebildete und geistig zurückgebliebene Marie, war ja glücklicher, als ich es heute bin! Zufriedenheit hatte sie und Liebe im Herzen!
Diese wichtige Aussage des Klienten war der entscheidende Wendepunkt in seiner Rückführungssitzung. Als der 44-jährige Xaver T. meine Praxis betrat, wirkte er so aggressiv und fahrig, dass ich überlegte, ob ich ihn nicht besser abweisen sollte.
Er versuchte fast augenblicklich, mit mir zu streiten, und gebrauchte dabei allerlei akrobatische Verstandestricks, doch ich stieg nicht darauf ein. Nach und nach kam zum Vorschein, warum der Mann zu mir gekommen war: Als brillanter Anwalt hatte er sich über viele Jahre hinweg das Ansehen von Kollegen, die Furcht von Gegnern, viel Geld und das Gefühl großer Macht
erworben. »Ich bin ein Gewinner«, verkündete er stolz, »ob schuldig oder nicht, jeder Klient, den ich vertrat, kam frei, und die Gegenseite musste bluten.«
Dann aber hatten ihn furchtbare Träume zu quälen begonnen: Dutzende Hände versuchten, ihn unter Wasser zu ziehen. Mit 43 hatte er einen Herzinfarkt erlitten; seither versuchte er, wieder auf die Beine und zurück in den Gerichtssaal zu kommen – vergeblich.
Xaver T. erzählte, wie er sich eines Nachts nach einem weiteren Albtraum nicht mehr anders zu helfen gewusst hatte: »Da begann ich zu beten, um Hilfe zu bitten. Und jetzt sitze ich bei Ihnen, das hat mir tags darauf eine Bekannte empfohlen«, schloss er – wobei ein sarkastischer Unterton nicht zu überhören war.
Wir begannen mit der Rückführung. Die erste Szene, die Xaver T. von seinem Vorleben mitbekam, war schrecklich. Wir brauchten sehr lange, um herauszufinden, was geschah, da er sich als die Frau, die er früher war, nicht genau ausdrücken konnte. Irgendwann wurde klar, dass man ihr Elektroschocks gab, in der Hoffnung, sie würde dadurch »normal« werden. Xaver T. erlebte sich als geistig behinderte junge Frau Ende der 1940er Jahre.
Bis sie etwa 18 war, lebte sie in einer österreichischen Stadt und schlenderte fröhlich durch die Straßen, während die Leute allerlei böse Scherze mit ihr trieben – was sie aber meist gar nicht so einschätzte. Sie lachte unbeschwert mit. Dann aber starben ihre Eltern, die sie geliebt und versorgt hatten. Sie musste zur Familie ihres Bruders an den Stadtrand. Dort schämte man sich für ihr Anderssein; die Schwägerin verbot den Kindern, sich mit ihr abzugeben, häufig wurde sie sogar geschlagen. (Zum besseren Verständnis gebe ich die gestammelten Wortfetzen des Klienten in den Auszügen in gutem Deutsch wieder.)
Kl.: Ich habe Angst.
U.D.: Wovor denn?
Kl.: Ich verstecke mich hinter einem Baum.
U.D.: Warum? Will dir jemand etwas Böses?
Kl.: Alle jagen mich weg. Und schlagen mich.
U.D.: Wie fühlst du dich?
Kl.: Traurig. Warum darf ich nicht mit den Kindern spielen? (Pause) Im Baum singt ein Vogel. (lacht glücklich) Er ist so fröhlich.
Ich forderte Xaver T. auf, zum Ende von Maries Leben zu gehen. Er sah sich als verwahrloste Frau von etwa 30 Jahren in der Baracke einer Irrenanstalt. Hier hatte man ihr auch die Elektroschocks gegeben.
U.D.: Wie geht es dir?
Kl.: Ganz gut. Sie lassen mich jetzt in Ruhe. (Pause) Bin immer allein.
U.D.: Wie ist das für dich?
Kl.: Ich würde gern lachen. Noch mal lachen. Aber ich bin sehr müde. Todmüde ...
Marie starb unter elenden Umständen in dieser Anstalt. Als Xaver T. mit seinem Seelenführer darüber sprach, warum ihm gerade dieses Leben gezeigt wurde, war er von Gefühlen überwältigt. Zu meiner Überraschung sagte er:
Kl.: Es geht um das kleine Glück. Marie hat gar nicht gekämpft. Sie war nicht mal wütend. Sie wusste fast nichts, aber war immer wieder froh. Obwohl andere so garstig zu ihr waren.
U.D.: Was könntest du für dich heute als Xaver aus diesem Leben mitnehmen?
Kl.: (herausplatzend) Ich bin am Ende! Körper, Nerven, Lebensträume, alles! Was soll jetzt noch kommen? (Pause) Diese feine Seite des Lebens, dieses Sanfte, Naive, Liebliche ... das habe ich nie
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