Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe
Songs in den großen Radiosendern rauf und runter? Wieso sind bestimmte Opernarien Dauerbrenner? Sie haben das gewisse Etwas. Musik lässt uns innehalten und zuhören. Vielleicht könnten wir ja die Gehirne von Politikern und Kriegstreibern damit infiltrieren: also quasi Pflichtsymphonien für alle.«
»Sind Singen und Musik wichtig für unser Leben?«
»Singen und Musik sind gleichermaßen wichtig für uns. Sehr sogar. Im Zeitalter der Elektronik sind wir bewusst und unbewusst ständig davon umgeben. Meiner Ansicht nach haben wir mit dem Singen angefangen, weil das Instrument, unsere Stimme, von Anfang an da war. Man musste sie nicht erst aus Holz oder Elfenbein formen und herstellen. Mit der Stimme ließ sich alles ausdrücken, ein Gefühl oder eine Geschichte, die von Generation zu Generation, von Stamm zu Stamm oder von Dorf zu Dorf weitergegeben werden sollte. Musik war für alle da und eine schöne Begleitung für ein offiziellen Essen oder auch, wenn man aus reinem Spaß zusammen war. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Musik steht bei allem im Vorder- oder Hintergrund. Durch sie kann etwas eingeläutet oder beendet werden, und ganz besonders nützlich ist sie in der Werbung. In Supermärkten wird eine bestimmte Art von Musik und verschiedene Tempi gespielt, je nach Tages- oder Jahreszeit.
Bei der Geburt meines zweiten Sohnes lag ich so lange in den Wehen, dass ich mir das Musikstück in der Schleife gleich zweimal hintereinander anhören konnte. Am liebsten hätte ich »Macht das aus!«, geschrien, brachte aber nicht die Kraft dafür auf. Es war die Ouvertüre aus der Zauberflöte , und da ich zu Beginn meiner Schwangerschaft einmal die Hauptrolle gespielt hatte, überkam mich der Drang, aus dem Bett zu springen, mein Kostüm anzulegen und die Arie zu singen! Singen und Musik kann man mit anderen Menschen teilen. Sie leisten einem Gesellschaft, versüßen das Zusammensein mit Freunden und Familie, können unterdrückte Gefühle heraufbeschwören und von ihnen befreien. Musik kann die Stimmung heben, sie trägt einen durch die Mühen des Alltags und spricht sämtliche Sinne an. Mit anderen Worten – es hat sich nichts geändert, seit der Mensch das erste Mal gesungen und musiziert hat.«
»Welches war Ihre größte gesangliche Entgleisung?«
»Mmm … Das war wohl dieser eine Auftritt, als ich mich nicht richtig eingesungen und nicht mit dem Pianisten und den anderen Sängern geprobt hatte. Ein Lächeln kann eine Menge wettmachen, das kann ich Ihnen sagen! Normalerweise bin ich sehr penibel, was Proben angeht, wie klein die Veranstaltung auch sein mag! Einmal, bei einem meiner regulären Konzerte, merkte ich irgendwann, dass mein neues trägerloses Kleid nach unten gerutscht war, so dass meine Brüste halb entblößt waren. Aber ich zog es nur möglichst beiläufig wieder hoch und sang einfach weiter. Zum Glück trug ich einen BH drunter.«
Opern
Einer Oper zu lauschen, muss man erst lernen. Zum Glück bin ich mit Opernmusik groß geworden, so dass mir die Phase, in der man zwangsläufig der Meinung ist, dass es sich um eine ziemlich unnatürliche Art des Singens handelt, erspart geblieben ist. Niemand wird mit der Fähigkeit geboren, diese kunstvolle Gesangsart zu beherrschen, vielmehr ist es ein langer Lernprozess. Opernmusik verdankt ihre Eigenheit dem Barock des 17. Jahrhunderts, als das Tremolo dem Zeitgeist entsprach und auch die Kunst und die Architektur sich durch üppige Verzierungen und Schnörkel auszeichneten. Italienische Komponisten dieser Ära wollten diesen Stil für ihre Dramen und Theaterstücke, deshalb mussten die Darsteller eher singen als rezitieren. Diese Singspiele entwickelten sich innerhalb kurzer Zeit zu hochkarätigen Abendveranstaltungen mit Sprechgesängen, Arien oder ausgefeilten Melodien, bei denen die Darsteller ihr Können und ihre stimmliche Bandbreite unter Beweis stellten. Die Arie reflektiert die Emotion des Sprechgesangs; es sind diese dramatischen, herzergreifenden Melodien, auf die wir sehnlichst bei jeder Opernaufführung warten, wie in La Traviata , der Hochzeit des Figaro, Don Giovanni , der Zauberflöte , Madame Butterfly oder Carmen . Bei traurigen Arien breche ich regelmäßig in Tränen aus und hoffe inbrünstig, dass die Heldin sich doch nicht vergiftet, an Tuberkulose stirbt oder erdolcht wird. Am liebsten würde ich auf die Bühne stürzen und sie warnen. Die übermächtige Kombination aus Stimme und dramatischer Handlung ist der Grund, aus dem
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