Wer Wind sät
hier gegen die Hauswand geschlagen, dann mit der Holzfigur den Kopf des Tieres zertrümmert und es anschlieÃend in der Regentonne ertränkt.«
»Das ist ja widerlich.« Pia verzog das Gesicht und schauderte.
»Es reichte ihr nicht, das Tier zu töten«, sagte Kröger mit sachlicher Stimme, »sie wollte es regelrecht vernichten.«
Pia löste ihren Blick von der Regentonne und sah ihn an. Sein Gesicht war in der Dämmerung nur noch ein heller Fleck. Plötzlich fröstelte sie, als sie begriff, was er meinte.
»So ähnlich wie der Mörder von Hirtreiter, meinst du?«, fragte sie.
Kröger nickte.
»Genau. Ihm hatâs auch nicht gereicht, den Mann bloà zu erschieÃen. Er hat ihn anschlieÃend getreten oder mit dem Gewehrkolben traktiert, und auch noch den Hund erschossen. Ein ähnlicher Gewaltexzess wie bei dem Raben.«
Pia bekam Zweifel an der Profikiller-Theorie. Ein bezahlter Mörder hätte sich wohl kaum dazu hinreiÃen lassen, sein Opfer mit Schlägen und Tritten zu malträtieren. Er hätte seinen Job erledigt und wäre wieder verschwunden, je schneller, desto besser. Aber war eine Frau zu einer solchen Tat fähig?
Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans und zog die Schultern hoch. Frauke Hirtreiter und ihre Mutter hatten jahrelang unter einem despotischen Vater und Ehemann gelitten, das hatte Polizeiobermeister Bradl erzählt. Wenn Frauen mordeten, dann taten sie das meistens, um eine unerträgliche Situation zu beenden. Männer hingegen töteten eher aus Wut, Eifersucht oder aus Angst, verlassen zu werden.
»Christian, du bist ein Ass«, sagte Pia langsam. »Du könntest wirklich recht haben. Und wenn das so ist, dann haben wir einen Riesenfehler gemacht.«
»Wieso das?«
Pia antwortete nicht. Sie dachte an Bradls Bemerkung, Frauke sei eine exzellente Schützin und Jägerin gewesen, um ihrem Vater zu gefallen. Sie hatte um seine Anerkennung gebuhlt, aber Hirtreiter hatte seine übergewichtige Tochter verachtet und wie den letzten Dreck behandelt. Sie war in der Mordnacht auf dem Rabenhof gewesen. Sie konnte mit Gewehren umgehen. Und sie hatte ihren Vater gehasst. Konnte das die heiÃe Spur sein, nach der sie bisher vergeblich gesucht hatten? Pia ignorierte ihren knurrenden Magen.
»Kannst du Türschlösser knacken?«, fragte sie ihren Kollegen.
»Die meisten«, entgegnete Kröger. »Warum?«
»Weil wir uns jetzt Frauke Hirtreiters Wohnung ansehen. Und wenn du brav mitmachst, spendiere ich dir danach noch was zu essen.«
»So weit kommtâs noch«, schnaubte Kröger.
»Das heiÃt, du machst nicht mit?«
»Klar mach ich mit. Aber ich lass mich nicht von einer Kollegin aushalten«, sagte er und grinste. »Das Essen danach bezahl dann ich.«
*
Der Regen hatte aufgehört, die Sonne war hinter dem Taunus versunken, und es wurde dunkel. Mark hatte den ganzen Nachmittag im Tierheim verbracht, danach war er ziellos herumgefahren, ein ganzer Tank Sprit war dabei draufgegangen. Ricky hatte sich nicht gemeldet, obwohl er ihr drei SMS geschrieben hatte. Er musste unbedingt mit ihr sprechen. Im Laden hatte er am Nachmittag zu seiner Enttäuschung nur Nika angetroffen, und die hatte gesagt, Ricky ginge es nicht gut. Allmählich machte er sich echte Sorgen.
Mark hatte den Roller am Zaun der Pferdekoppel abgestellt und beschlossen, eine Weile am Stall zu warten. Ricky schaute jeden Abend nach ihren Pferden. Aus den Gärten auf der anderen Seite des asphaltierten Feldwegs wehte der Duft von Gegrilltem zu ihm herüber. Immer wieder blickte Mark auf sein Handy, doch es blieb stumm. Es machte ihn fast wahnsinnig, dass er Ricky heute weder gesehen noch gesprochen hatte. In Gedanken beschwor er sie, ihn anzurufen. Er flüsterte ihren Namen, zeichnete ihn in den feuchten Sand neben dem Stall. Nichts. Mit seinen telepathischen Fähigkeiten war es wohl nicht besonders weit her. Was hatte er eigentlich früher getan, als er Ricky und Jannis noch nicht gekannt hatte? Wie leer war sein Leben ohne die beiden gewesen.
Endlich klingelte das Handy! Sein Herz machte einen Satz, seine Finger zitterten. Aber zu seiner Enttäuschung war es nur seine Mutter. Er ging dran, damit sie nicht weiternervte. Ihre Fragen und Vorwürfe prallten an ihm ab. Unglaublich, was diese Frau in kürzester Zeit quasseln konnte.
»Ich komm gleich heim«, brummte er
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