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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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etwas, das auch sie spürte.
    Â»Hallo«, sagte er ein wenig beklommen. Ihr ungeschminktes Gesicht war eher herb als schön, die Nase etwas zu groß und ihr Mund eine Idee zu breit, aber es hatte etwas Besonderes. Erleichterung befiel ihn, hatte er doch insgeheim befürchtet, sie würde ihm bei Tageslicht nicht mehr gefallen. Im Gegenteil. Ihm gefiel sogar ihre unkonventionelle Kleidung: ein verwaschenes Jeanskleid, eine formlose graue Sweatshirt-Jacke und Turnschuhe an den nackten Füßen. Eitelkeit schien nicht zu ihren herausstechenden Charaktereigenschaften zu gehören.
    Â»Hallo«, erwiderte sie zurückhaltend. »Wie geht es Ihnen?«
    Â»Danke, gut.« Verzweifelt suchte er nach den Worten, die er sich auf der Fahrt hierher zurechtgelegt hatte, aber plötzlich klang alles so pathetisch. Sie haben mir das Leben gerettet. Das werde ich Ihnen nie vergessen. Ich stehe tief in Ihrer Schuld . Alles Quatsch.
    Â»Das freut mich.« Seine Befangenheit übertrug sich auf sie, sie wurde ernst. »Was kann ich für Sie tun?«
    Bodenstein riss sich zusammen.
    Â»Wir suchen nach Frauke Hirtreiter«, sagte er. »Haben Sie vielleicht etwas von ihr gehört?«
    Â»Nein, leider nicht.« Nika schüttelte bedauernd den Kopf. »Ihr Auto ist schon den ganzen Tag nicht da, und gemeldet hat sie sich auch nicht.«
    Â»Hat sie gestern irgendetwas zu Ihnen gesagt? Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    Â»Gestern Mittag. Ihr Vater rief hier an und sagte ihr, dass Ludwig tot ist«, erwiderte Nika. »Daraufhin hat Frauke den Laden verlassen und ist weggefahren. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Vielleicht weiß Ricky mehr.«
    Als sie seinen fragenden Blick sah, ergänzte sie: »Friederike Franzen. Ihr gehört das Tierparadies.«
    Sie stellte keine Fragen, wollte nicht wissen, weshalb die Polizei nach Frauke suchte. War das ein Zeichen von Diskretion oder von Gleichgültigkeit? Oder wusste sie gar von Fraukes Aufenthaltsort? Zur Hölle mit seinem ständigen Misstrauen!
    Â»Ach ja. Die Lebensgefährtin von Jannis Theodorakis.« Bodenstein nickte. »Meine Kollegin hält Sie übrigens für dessen Putzfrau.«
    Nika grinste, Lachfältchen erschienen um ihre Augen.
    Â»Ich weiß auch nicht, warum ich das gesagt habe«, gab sie zu. »Ich war irgendwie erschrocken, als plötzlich die Kripo vor der Tür stand. Das bin ich nicht unbedingt gewöhnt.«
    Â»Wer ist das schon?«, entgegnete Bodenstein und lächelte auch.
    Â»Ich wohne seit ein paar Monaten bei Ricky und Jannis zur Untermiete«, erzählte Nika freimütig. »Ricky ist meine älteste Freundin, wir waren früher zusammen auf der Schule. Letzten Winter ging es mir nicht gut, ich … ich hatte eine Art Burn-out. Da hat sie mir angeboten, für eine Weile bei ihr zu wohnen und zu arbeiten.«
    Â»Und über sie ist auch Ihr Kontakt zu meinen Eltern entstanden.« Das war eher eine Feststellung als eine Frage, aber Nika antwortete darauf.
    Â»Genau. Für die beiden gibt es ja kaum etwas anderes als die Bürgerinitiative, Jannis redet quasi jede Sekunde davon.« Sie rollte die Augen und seufzte. »Da konnte ich mich nicht entziehen, ohne unhöflich zu sein.«
    Plötzlich war es ganz einfach, mit ihr zu reden. Sie war so normal und schien nicht die geringste Scheu vor dem Kriminalpolizisten zu haben, der er war. Bodenstein wagte einen Vorstoß.
    Â»Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?«
    Sie blickte ihn überrascht an. Fasziniert beobachtete er, wie sich das Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete, ähnlich wie bei Inka. Es begann in den Augen, vertiefte sich in zwei bezaubernden Grübchen und glitt in ihre Mundwinkel.
    Â»Warum nicht? Hier ist sowieso nichts mehr los, da kann ich auch früher zumachen.«
    Wenig später saßen sie auf hohen Hockern bei Tchibo in der Fußgängerzone. Er hatte zwei Latte macchiato bestellt und erwischte sich dabei, wie er Nika von sich erzählte. Wie kam er dazu, mit einer Fremden über seine gescheiterte Ehe zu reden? Normalerweise ließ er andere Menschen nur sehr langsam an sich heran und breitete nicht sofort vor jedem sein Privatleben aus. Doch Nikas Aufmerksamkeit tat ihm gut. Hin und wieder stellte sie eine Frage, aber sie überschüttete ihn nicht mit Tipps oder Beispielen aus ihrem Leben, sondern hörte zu. Was war es, was ihn an ihr beeindruckte?

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