Wer Wind sät
schlieÃlich. »Tschö.«
Es war halb zehn. Verdammt. Er hielt es nicht mehr aus. Rickys Haus lag nur zwei Minuten entfernt. Wenn er sie wenigstens kurz sehen und sich vergewissern könnte, dass sie in Ordnung war. Vielleicht, so hoffte er, war Jannis nicht zu Hause, und er konnte sie wieder trösten! Er ging die StraÃe entlang, schwang sich über das niedrige Gartentor und zwängte sich durch die Rhododendronbüsche in den Garten. Sein Herz pochte wild. Der Grill qualmte, der Tisch auf der Terrasse war gedeckt, aber unberührt. Mark pirschte sich näher heran. Plötzlich kam Jannis aus dem Haus, eine Schüssel in der Hand.
»Jetzt hör endlich auf damit!«, sagte er, und es klang eindeutig genervt. Mark verspürte einen Anflug von Enttäuschung. Jannis war da, Ricky war zu Hause. Eigentlich konnte er jetzt heimfahren.
»Ich höre nicht auf!« Ricky erschien im Türrahmen. »Du bist nächtelang weg, und ich erfahre nur per Zufall, dass dein Vater ins Krankenhaus gekommen ist. Wieso machst du so ein Geheimnis daraus?«
Jannis rollte nur die Augen und legte zwei Steaks auf den Grill.
»Du warst gestern bei Nika im Laden und bist weggefahren, als ich gekommen bin! Warum? Was soll das?« Ihre Stimme klang weinerlich.
»Herrgott!« Jannis wandte sich zu ihr um. »Ich bin dir doch keine Rechenschaft schuldig! Meine Eltern haben dich nie interessiert. Jetzt mach nicht so ein Drama aus dieser Sache!«
»Es ist aber ein Drama! WeiÃt du, wie absolut bescheuert ich mir bei den Bullen vorkam?«
»Hättest du dein Maul gehalten, müsstest du dir auch nicht blöd vorkommen, du dumme Kuh«, erwiderte Jannis kalt.
Das Fleisch brutzelte und verströmte einen appetitlichen Geruch, aber Mark konnte nicht ans Essen denken. Mit wachsendem Entsetzen lauschte er dem Streit. So hatte er Jannis und Ricky noch nie miteinander reden hören.
»Spinnst du? Wie kannst du so etwas zu mir sagen?« Sie stemmte die Hände in die Seiten. »Womit hab ich das verdient? WeiÃt du überhaupt, was ich alles für dich tue? Dabei ist mir dieser beschissene Windpark so was von egal! Aber ich mach das ganze Theater dir zuliebe mit, und zum Dank lügst du mich an!«
Mark schluckte. Den ganzen Tag hatte er sich Sorgen um Ricky gemacht, dabei ging es ihr gut. Wahrscheinlich hatte sie einfach keine Lust gehabt, sich bei ihm, dem dummen, kleinen Trottel, zu melden. Sie machte nämlich nicht im Geringsten den Eindruck, als sei sie traurig oder gar krank.
»Mir geht der scheià Windpark auch am Arsch vorbei!«, erwiderte Jannis und fuchtelte mit der Fleischgabel herum. »Mir gehtâs um Theissen, dieses Arschloch! Das weiÃt du ganz genau! Aber soll ich dir jetzt jeden Tag die FüÃe küssen, nur weil du ein paar Unterschriften gesammelt hast? Die sind jetzt eh futsch!«
Mark klappte der Mund auf. Was redeten die denn da? Seit Monaten gab es kein anderes Thema als den Windpark, die Klimalüge, die Bürgerinitiative, und jetzt behaupteten sie, das wäre ihnen gleichgültig?
»Du sollst mir nicht die FüÃe küssen. Ich will nur â¦Â«
»Mensch, halt endlich dein Maul!«, schrie Jannis so unvermittelt, dass Mark zusammenzuckte. »Diese ständigen Vorwürfe und Diskussionen kotzen mich an! Du kotzt mich an! Alles hier kotzt mich an!«
Die beiden Hunde verzogen sich mit eingeklemmten Schwänzen ins Haus.
Mark begann zu zittern und spürte einen heftigen Stich hinter den Augen. Seine ganze Welt, die sich um Ricky und Jannis drehte, geriet aus den Fugen. Er hatte die beiden bewundert und verehrt, doch nun brach das makellose Bild, das er sich von ihnen gemacht hatte, mit Donnergepolter in sich zusammen. Was würde er nur tun, wenn sie sich trennten?
»Hört auf, hört auf. Bitte«, flüsterte er verzweifelt.
Ricky sank auf die Knie, verbarg das Gesicht in den Händen und begann zu schluchzen, aber Jannis beachtete sie nicht. Mit stoischer Miene wendete er die Steaks auf dem Grill.
Mark konnte es kaum noch ertragen, Ricky so unglücklich zu sehen. Am liebsten wäre er zu ihr hingegangen, hätte sie in die Arme genommen und getröstet. Wie konnte Jannis bloà so gefühllos und kaltherzig sein? Es war Mark unangenehm, Zeuge dieses Streits zu werden, aber er hatte das Gefühl, Ricky im Stich zu lassen, wenn er jetzt ging. Sie stand auf, ging zu Jannis, umarmte ihn
Weitere Kostenlose Bücher