Wer Wind sät
geldgierigen, egoistischen Gedanken. Wie konnte er bloà über so etwas nachdenken! Kurz bevor sie den Parkplatz von Hofgut Bodenstein erreichten, brach sein Vater das Schweigen.
»Ludwig hat mir am Dienstagabend nach dem Streit mit Jannis erzählt, dass Theissen und sein Kollege Rademacher morgens bei ihm auf dem Hof gewesen sind«, sagte er und räusperte sich. »Sie hatten einen Vertragsentwurf dabei und einen Scheck und drängten ihn, zu unterschreiben.«
»Einen Scheck?« Bodenstein nahm es seinem Vater nicht übel, dass er vergessen hatte, ihm das mitzuteilen. Verständlich nach allem, was er erlebt hatte.
»Ja, stell dir vor: einen Scheck über drei Millionen Euro.«
»Und was hat Ludwig getan?«
»Er hat den Scheck zerrissen und Tell auf die beiden gehetzt.« Ein kurzes Lächeln zuckte über das blasse Gesicht seines Vaters, erlosch aber sofort wieder. »Theissen schaffte es gerade so zu seinem Auto. Rademacher auch, allerdings mit zerfetzter Hose.«
*
Dr. Theissen war auÃer Haus, aber Enno Rademacher lieà bitten. Er leugnete den Besuch bei Hirtreiter am Dienstagvormittag nicht.
»Wir hofften, vernünftig mit ihm reden zu können«, sagte er zu Bodenstein. »Immerhin war er ja vor zwei Jahren, als die ersten Planungen für den Windpark stattfanden, bereit gewesen, die Wiese zu verkaufen oder langfristig zu verpachten. Auf einmal bekam er aus unerfindlichen Gründen Gewissensbisse und wollte nichts mehr davon wissen.«
Rademacher setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Sein Büro war kleiner und dunkler als das von Theissen. Die vollgestopften Regale, die bis zur Decke reichten, lieÃen den Raum wie eine Höhle wirken.
»Stört es Sie, wenn ich rauche?«
»Nein.« Bodenstein schüttelte den Kopf. »Was war weiter?«
»Wir haben versucht ihm klarzumachen, dass er so gut wie keine Beeinträchtigungen durch diese StraÃe haben würde.« Rademacher zog an der Zigarette, als wolle er sie mit einem Zug bis zum Filter rauchen, dann legte er sie in den Aschenbecher. »Es wird ja keine Autobahn, sondern ein schmaler Streifen Asphalt, der nur während der Bauphase stark genutzt wird. Danach muss hin und wieder mal ein Techniker hinfahren, ansonsten gibt es keinen Verkehr und keine Belästigung. Die Windräder stehen so weit oben auf dem Hügelkamm, dass Hirtreiter sie von seinem Hof aus gar nicht sehen würde. Aber er blieb stur.«
»Sie waren bereit, ihm drei Millionen Euro zu zahlen«, sagte Bodenstein. »Wäre es nicht einfacher und billiger gewesen, das Gelände auf einem anderen Weg zu erreichen? Und was ist mit den Wiesen ringsherum?«
»Glauben Sie mir, wir haben alle Möglichkeiten geprüft. Wir sind nicht gerade scharf darauf, jemandem so viel Geld zu zahlen. Aber sämtliche Grundstücke, die in Frage kämen, gehören Hirtreiter. Und bei allen anderen Varianten stellen sich die Umweltschutzverbände und die Untere Naturschutzbehörde quer. Wir müssten mitten durch den Wald. Ein erheblicher Mehraufwand.«
»Hirtreiters Tod kommt Ihnen also ganz gelegen.«
»Was wollen Sie damit sagen?« Rademacher betrachtete ihn aus schmalen Augen.
»Mit seinen Kindern werden Sie wohl weniger Probleme haben«, entgegnete Bodenstein.
»Das stimmt allerdings. Die Herrschaften hätten dem Verkauf sofort zugestimmt.«
»Hätten?«, fragte Bodenstein.
Enno Rademacher zog noch einmal an seiner Zigarette, dann drückte er sie im Aschbecher aus und stand auf.
»Herr von Bodenstein«, sagte er und schob die Hände in die Hosentaschen, »hören Sie auf, Spielchen zu spielen. Wir sind über die veränderte Eigentumssituation bereits im Bilde. Ich nehme an, Sie auch.«
Bodenstein lieà sich seine Ãberraschung nicht anmerken. Der Notartermin lag erst zwei Stunden zurück.
»Ja, das bin ich«, bestätigte er nach kurzem Zögern.
»Umso besser.« Rademacher ging um seinen Schreibtisch herum und lehnte sich gegen die Kante. »Dann rede ich nicht lange um den heiÃen Brei herum. Uns läuft die Zeit davon. Leider kann es sehr lange dauern, bis Ihr Vater im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen ist, daher werden wir ihm noch heute einen Vorvertrag vorlegen und ihm ein Kaufangebot mit ähnlichen Konditionen wie bei Herrn Hirtreiter unterbreiten.«
»Das werden Sie nicht tun«, entgegnete
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