Wer Wind sät
Bodenstein scharf.
»Wollen Sie uns das etwa verbieten? Warum?« Alle Freundlichkeit wich aus Rademachers Gesicht. In seinen Augen erschien ein unangenehmer berechnender Ausdruck. »Ihr Vater ist â¦Â«
»Mein Vater ist ein alter Mann, den der Tod seines Freundes tief getroffen hat«, fiel er ihm ins Wort. »Sie können sich denken, dass ihn diese unerwartete Erbschaft moralisch schwer belastet.«
»Ja, das kann ich allerdings, und er hat mein vollstes Mitgefühl«, heuchelte Rademacher Verständnis. »Aber für uns hat eben das Windparkprojekt oberste Priorität. Es geht um viel Geld und um Arbeitsplätze.«
Er tat, als würde er nachdenken, und musterte Bodensteins Gesicht.
»Aber wissen Sie was«, sagte er dann, als sei ihm just in dieser Sekunde eine Idee gekommen, »vielleicht könnten Sie auf Ihren Herrn Vater einwirken. Es soll Ihr Schaden nicht sein.«
Sämtliche Alarmglocken in Bodensteins Kopf begannen zu schrillen. Der Mann wirkte mit seinem schlecht sitzenden braunen Anzug und der geschmacklosen Krawatte so harmlos wie ein Staubsaugervertreter. Doch hinter dem verbindlichen ÃuÃeren lauerte etwas Gefährliches.
»Vorsicht«, warnte er, bevor Rademacher weitersprechen konnte. »Ãberlegen Sie sich gut, was Sie jetzt sagen.«
»Oh, das habe ich schon getan. Ãberhaupt war ich heute schon ausgesprochen fleiÃig.« Rademacher lächelte entspannt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf schief. »Der Gutshof, den Ihr Bruder von Ihrem Vater übernommen hat, ist seit dem Bau der Reithalle hoch verschuldet, der Reitstallbetrieb und die Landwirtschaft sind unrentabel. Im Prinzip finanziert sich das ganze Objekt nur durch das Restaurant im Schloss, das wirklich hervorragend läuft.«
Bodenstein starrte den Mann mit wachsendem Unbehagen an. Worauf wollte er hinaus?
»Jetzt stellen Sie sich doch nur einmal vor«, fuhr Rademacher im Plauderton fort, »das Restaurant würde mit einem Mal nicht mehr gut gehen. Ein kleiner Lebensmittelskandal, auf den sich die Presse sicherlich begeistert stürzen würde, oder die Kündigung des Küchenchefs. Ein guter Ruf ist schneller ruiniert als aufgebaut. Glauben Sie, Sie könnten mit Ihrem Beamtengehalt den Laden retten?«
Bodenstein war für einen Moment zu fassungslos, um etwas zu sagen. Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
»Das ist Erpressung«, flüsterte er heiser.
»O nein, lieber Herr von Bodenstein, so würde ich das nicht nennen.« Enno Rademacher lächelte wieder, aber das Lächeln reichte nicht bis in seine Augen. »Es ist eine zugegebenermaÃen unerfreuliche, aber nicht gänzlich unvorstellbare Zukunftsvision. Mit drei Millionen wäre Ihre Familie hingegen alle Sorgen los. So wie wir auch. Ein für beide Seiten gutes Geschäft. Denken Sie doch einfach mal in Ruhe darüber nach und rufen Sie mich an.«
*
Die ganze Familie war ausgeflogen, als Mark spätnachmittags aufstand und das Haus verlieÃ. Zwei Tabletten hatten seine Kopfschmerzen auf ein erträgliches Maà reduziert, er konnte wieder aus den Augen gucken, ohne dass ihm sofort schlecht wurde.
Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, nicht zu Ricky zu fahren, war der Drang, sie zu sehen, übermächtig. Zehn Minuten später stellte er seinen Roller am Hundeplatz neben dem Stall ab. Es war viel los, zahlreiche Autos parkten links und rechts des asphaltierten Feldwegs unterhalb von Rickys Haus. Der Welpenkurs lief gerade. Sein Herz hüpfte, als er Ricky sah. Lächelnd winkte sie ihm zu, ganz so wie immer.
Mark lehnte sich an den Zaun und beobachtete, wie sie mit den Welpenbesitzern sprach und ihnen geduldig erklärte, wie sie die Aufmerksamkeit ihres Hundes erringen konnten. Er war erleichtert und enttäuscht zugleich, sie so unversehrt zu sehen. Irgendwie hatte er angenommen, der vergangene Abend müsse Spuren hinterlassen haben, ein sichtbares Stigma wie Augenringe, Kratzer oder blaue Flecken, aber da war nichts. Sein Blick fiel auf ihren Mund, er schauderte.
Sie trug heute wieder eines dieser provozierend eng anliegenden Oberteile, dessen tiefer Ausschnitt sehr viel mehr als nur den Ansatz ihrer gebräunten Brüste sehen lieÃ. Ein älterer Mann mit einem Boxerwelpen flirtete ganz unverhohlen mit ihr. Ricky lachte amüsiert über seine Komplimente und legte kokett den Kopf schief.
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