Wer Wind sät
als ich es getan habe.«
Sie hätte ihm diese Bemerkung nicht übelgenommen, hätte sie nicht so gönnerhaft geklungen.
»Das ist ja wohl keine Kunst«, antwortete sie spitz. »Genau betrachtet hast du mir gar nichts geboten.«
»Nun ja. Eine schöne Wohnung, ein flottes Auto, die Pferde und jede Menge forensischer Erfahrung, um die dich manch ein Kollege glühend beneidet.« Henning hob die Augenbrauen und sah sie an. »Das würde ich jetzt nicht nichts nennen.«
»Man kann sich wirklich alles schönreden«, zischte Pia, denn prompt war die Erinnerung an ihre schicke, aber vollkommen seelenlose Altbauwohnung in Frankfurt wieder da, in der sie so viele einsame Stunden verbracht hatte, während Henning seiner Arbeit nachgegangen war, ohne Rücksicht auf sie zu nehmen. Viel zu lange hatte sie diesen Zustand ertragen, bis zu dem Tag, an dem er, ohne ihr auch nur Bescheid zu geben, zum Schauplatz eines Seilbahnunglücks nach Ãsterreich gereist war. Sie hatte ihre Sachen gepackt und war ausgezogen. Bezeichnenderweise war es ihm erst vierzehn Tage später aufgefallen. Pia wollte noch etwas zu diesem Thema sagen, doch da meldete sich ihr Handy. Es war Kröger.
»Kommt mal hoch ins Chefbüro. Dritter Stock, letzte Tür links«, sagte er nur und legte wieder auf.
»Tschüs. Grüà Miriam«, sagte Pia leicht verstimmt zu ihrem Ex und bedeutete Cem Altunay, der mit einem Anruf den Abtransport der Leiche organisiert hatte, ihr zu folgen.
Theissens Büro war das letzte auf dem Gang. Es war groà und geschmackvoll eingerichtet. Der Kontrast vom ParkettfuÃboden zur bodentiefen Fensterfront, Glas und dunklen Holzmöbeln gefiel Pia. Sie sah sich um und rümpfte die Nase. Der Verwesungsgeruch war bis in das Büro im dritten Stock gedrungen. Das mochte nicht verwunderlich sein, denn die Tür zum Flur hatte offen gestanden, und warme Luft zog nach oben. Trotzdem war sie überrascht über die Intensität des Geruchs.
»Was gibtâs?«, fragte Pia.
»Ah.« Christian Kröger, der am Schreibtisch zugange war, wandte sich um. »Schaut euch das hier mal an.«
Der süÃliche, Ãbelkeit erregende Geruch wurde aufdringlicher. Wie konnte das sein? Pia schnupperte unauffällig am Kragen ihres T-Shirts, aber das roch nur leicht nach Schweià und einem Hauch Waschpulver. Sie blieben vor dem Schreibtisch stehen. Der faulige Geruch wurde so stark, dass sie die Luft anhielt. Mitten auf der spiegelblanken Glasoberfläche lag ein braunweiÃes Fellknäuel. Und dann sah sie die Maden. Hunderte weiÃer Würmchen, die über die Glasplatte krochen, nachdem sie sich an dem kleinen Kadaver satt gefressen hatten.
»Ein toter Hamster.« Cem Altunay verzog das Gesicht. »Was hat das denn zu bedeuten?«
»Ich denke, das sollten wir Herrn Theissen fragen«, entgegnete Pia. Nur zwei Minuten später trat der Chef der WindPro aus dem Aufzug. Er war von der Okkupation seiner Firma nicht besonders begeistert, beschwerte sich aber nicht.
»Was gibt es?«, erkundigte er sich.
»Kommen Sie.« Pia führte ihn in sein Büro und wies auf den Schreibtisch. Theissen erblickte den toten Hamster und prallte zurück.
»Können Sie sich erklären, was das soll?«, fragte Pia.
»Nein. Keine Ahnung«, würgte er angewidert hervor. Sie bemerkte ein nervöses Zucken in seinem blassen Gesicht, und in diesem Moment schaltete ihr Geist unvermittelt vom trägen Urlaubs-Stand-by in den Polizistenmodus. Ihr Instinkt war hellwach. Theissen wusste sehr wohl, was der tote Hamster auf seinem Schreibtisch zu bedeuten hatte. Sein letzter Satz war eine glatte Lüge.
*
Im Laden herrschte nach einem kurzen Andrang wieder Ruhe. Frauke hatte die ersten Montagmorgentermine hinter sich gebracht, den ungebärdigen Airedale einer Kronberger Kundin und die zwei Yorkshires einer Witwe aus dem Johanniswald, die alle vierzehn Tage auf dem Plan standen. Ricky übernahm die Beratung der wenigen Kunden, nachdem sie von ihrer Lieferfahrt zurückgekehrt war, Nika und Frauke räumten neu eingetroffene Ware in die Regale. Die Glocken der nahen Kirche St. Marien schlugen elf Mal, als Mark den Laden betrat.
»Hey«, sagte er zu Frauke, zog einen der weiÃen Ohrstecker, die zum unvermeidlichen iPod in seiner Jackentasche führten, aus dem Ohr und blieb neben ihr stehen. Sein Blick wanderte zu Ricky, die gerade
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