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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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globalen Ausmaßen verstrickt war. Hatte Annika Sommerfeld Bodenstein Märchen erzählt, um sich interessant zu machen, oder besaß Frauke Hirtreiter so wenig Menschenkenntnis?
    Â»Wissen Sie irgendetwas über ihre Vergangenheit? Ihre Familie?«
    Frauke Hirtreiter dachte einen Moment nach, dann verneinte sie bedauernd.
    Â»Immer, wenn ich sie mal darauf anspreche, winkt sie ab. Ihr Leben sei nicht besonders spannend gewesen, sagt sie. Nicht der Rede wert.«
    Â»Aber sie muss doch irgendwelche Interessen haben«, bohrte Pia beharrlich weiter. »Hobbys. Vorlieben. Bekannte?«
    Â»Nein, hat sie nicht. Komisch, nicht wahr? Obwohl ich sie seit Monaten beinahe jeden Tag sehe, könnte ich sie kaum beschreiben. Es ist überhaupt nichts Besonderes an ihr. Gar nichts.«
    Unauffälligkeit ist die beste Tarnung, dachte Pia und hatte ein noch schlechteres Gefühl als zuvor, was Annika Sommerfeld betraf. Die wenigen Killer, denen sie bei Ermittlungen, in Untersuchungsgefängnissen oder Gerichtssälen begegnet war, waren in der Realität nie die schillernden Gestalten, als die sie im Kino dargestellt wurden, sondern genauso unscheinbar wie Annika Sommerfeld.
    Â»Obwohl«, sagte Frauke Hirtreiter in ihre Gedanken hinein, »erst neulich habe ich etwas Seltsames mit ihr erlebt.«
    Sie schilderte, wie Nika eine Ladendiebin verfolgt und gestellt und dabei zwei junge Männer ziemlich gekonnt aufs Kreuz gelegt hatte. Pia lauschte neugierig.
    Â»Jiu-Jitsu«, schloss Frauke, die sich unversehens von einer Beschuldigten in eine Zeugin verwandelt hatte. »Bis dahin war es nur überraschend, aber danach wurde es richtig komisch: Sie hat mir nämlich verboten, Ricky von der Sache zu erzählen. Ich war echt erschrocken, weil sie mich so … böse angeschaut hat. Richtig drohend. Für einen Moment hatte ich sogar Angst vor ihr. Dabei ist sie doch nur eine halbe Portion – im Vergleich zu mir.«
    Hochinteressant. Annika Sommerfeld konnte also auch ganz anders. Ein plausibles Motiv, Ludwig Hirtreiter zu erschießen, hatte sie dennoch nicht. Loyalität zu Ricky und Jannis vielleicht? Oder hatten die beiden, die über ihre Vergangenheit Bescheid wussten, sie mit ihrem Wissen erpresst und quasi gezwungen, den unbequemen Alten aus dem Weg zu räumen? Doch auch bei Friederike Franzen konnte Pia kein echtes Motiv erkennen. Theodorakis war nach wie vor ihr bevorzugter Verdächtiger, und die Tatsache, dass er untergetaucht war, bestärkte sie in diesem Verdacht. Es klopfte an der Tür, Cem steckte den Kopf herein.
    Â»Kommst du mal bitte?«
    Pia stand auf und ging hinaus auf den Flur.
    Â»Sarah Theissen hat mich gerade angerufen«, sagte ihr Kollege. »Ihr Bruder ist eben nach Hause gekommen.«
    Pia starrte ihn an. In ihrem Kopf begannen die Zahnrädchen zu rattern. In den vergangenen vier Tagen hatten sie Verdachtsmomente gegen alle möglichen Menschen zusammengetragen, Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse beantragt, Tathergänge und Alibis nachvollzogen und mögliche Tatmotive konstruiert, dass sie dabei das Naheliegende vollkommen übersehen hatten.
    Â»Was hast du?«, fragte Cem mit leichter Besorgnis, als sie keinen Ton von sich gab. »Geht es dir nicht gut?«
    Statt ihm zu antworten, drehte sie sich um.
    Â»Frau Hirtreiter«, sagte sie. »Kommen Sie bitte mit? Ich habe noch ein paar Fragen, aber das können wir auch im Auto besprechen.«
    Â»Was …?«, begann Cem verständnislos.
    Â»Mark Theissen«, unterbrach Pia ihn. »An den haben wir überhaupt nicht gedacht! Wie konnten wir das bloß übersehen?«
    *
    Â»Du solltest das unbedingt der Polizei melden.« Ricky saß auf einem Stuhl neben seinem Bett und machte ein besorgtes Gesicht. »Das war doch Unfallflucht.«
    Â»Quatff«, unterbrach Jannis sie ungehalten. »Daf verdanke ich allef diefer verdammten Nika.«
    Â»Nika?« Ricky blickte ihn überrascht an. »Was hat die denn damit zu tun?«
    Â»Du hätteft fie vielleift mal fragen follen, wefhalb fie fich bei unf verftecken wollte. Dann wäre daf allef nie paffiert.«
    Â»Ich versteh dich so schlecht …«
    Â»Verdammt! Ift dir nicht aufgefallen, daff ich keine Fähne mehr hab?«, fuhr Jannis auf.
    Â»Entschuldige bitte.« Ricky beugte sich vor und legte ihre Hand besänftigend auf seine. »Aber wie meinst du das mit Nika?«
    Jannis

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