Wer Wind sät
blickte sie an. Dank der Ersatzbrille, die Ricky mitgebracht hatte, konnte er wenigstens wieder gescheit sehen. Einen Moment lang fragte er sich, ob sie wirklich so blöd war oder nur so tat.
»Deine Bufenfreundin hat einen Typen umgelegt und ihrem Feff irgendwelche Fachen geklaut«, entgegnete er. »Von wegen Burn-out! Jetft ift fie auf der Flucht vor der Polifei und den Flägertypen, die mir daf hier angetan haben.«
Die Verständnislosigkeit in Rickys Miene verschwand.
»Wenn es so ist, bist du doch selbst schuld«, entgegnete sie spitz. » Du warst es doch, der unbedingt ihren Namen groà herausposaunen musste. Wolltest dich wichtigtun, weil du eine echte Klimaforscherin kennst. Angeblich hat Nika dich davor gewarnt.«
Jannis warf ihr einen finsteren Blick zu, dann schaute er weg. Ob Eisenhut und seine Schläger Nika mittlerweile erwischt hatten? Hoffentlich! Er wollte sie nie wiedersehen, diese hinterhältige, verlogene Schlampe, die sich mit billigen Flohmarktklamotten verkleidete und dabei neben Laptop und iPhone heimlich ein paar hunderttausend Euro in ihrer Reisetasche mit sich herumschleppte! Genauso satt hatte er Ricky! Sobald er das Krankenhaus verlassen konnte, würde er seine Sachen packen und zu seiner Mutter ziehen, bis er eine andere Wohnung gefunden hatte.
»Aber du hast recht.« Ricky stand auf und begann frische Kleidung für ihn in den Schrank zu räumen. »Ich bin ehrlich gesagt auch erleichtert, dass Nika weg ist. Sehr sogar.«
»Wiefo denn daf auf einmal? Ich dachte, du wärft fo froh, daff fie dir im Laden hilft.« Selbst ohne Gebiss gelang ihm ein spöttischer Tonfall.
»Das war ich auch«, entgegnete sie frostig. »Bis ich erfahren habe, dass du scharf auf sie bist.«
Er hätte sich denken können, dass Mark es ihr bei der erstbesten Gelegenheit brühwarm erzählen würde.
»Daf war wohl eher anderfrum«, log er. Ein paar Tage musste er sich ihr Wohlwollen noch erhalten. Er wusste, wozu Ricky in der Lage war, wenn sie sauer wurde, und traute ihr ohne weiteres zu, seine ganzen Sachen in den Müll zu schmeiÃen. »Fie hat mich regelrecht verfolgt. Ef gibt keine andere Frau für mich als dich, Ricky. Das fwöre ich dir. Du bift das Befte, waf mir je paffiert ist.«
Ricky blickte ihn zweifelnd an und seufzte. Jannis versuchte, eine etwas bequemere Liegeposition zu finden, und stöhnte auf.
»Fag mal, könnteft du Mark bitten, daff er fich um die Webfeite kümmert? Den Nachruf für Ludwig habe ich fon formuliert, der muff irgendwo auf meinem Freibtisch herumliegen. Er foll ihn auf die Ftartfeite vornedrauf ftellen.«
»Klar.« Ricky strahlte wieder. »Das richte ich ihm aus. Ich kümmere mich um alles. Mach dir keine Sorgen. Werde lieber schnell gesund.«
»In ein paar Tagen haue ich hier ab«, erwiderte Jannis. »Ich kann fliefflich auch fu Haufe im Bett liegen.«
*
Das, was Frauke Hirtreiter ihnen auf der Fahrt von Hofheim nach Königstein erzählte, jagte Pia eine Gänsehaut über den Rücken. Allem Anschein nach betrachtete Mark Theissen Ricky und Jannis als eine Art Elternersatz und bewunderte die beiden aus tiefstem Herzen. Immer wieder kam es vor, dass labile und traumatisierte Jugendliche aus falsch verstandener Loyalität heraus unverständliche Dinge taten, nur um dem Objekt ihrer Anbetung zu gefallen. Sie erinnerte sich an den Mordfall Pauly vor ein paar Jahren, an Lukas van den Berg und Tarek Fiedler, dem sie einige der schlimmsten Stunden ihres Lebens verdankte.
Sarah hatte sie bereits kommen sehen und wartete an der Haustür. »Er ist oben in seinem Zimmer«, flüsterte sie.
»Wo sind Ihre Eltern?«, wollte Pia wissen.
»Mama ist in der Kirche und Papa im Büro. Ich weià nicht, wann sie wiederkommen.«
Vielleicht war es gut, dass die Eltern Theissen nicht da waren, dennoch erschien es Pia besser, das Gespräch mit dem Jungen in Anwesenheit eines volljährigen Familienmitgliedes zu führen.
»Könnten Sie dann bitte dabei sein, wenn wir mit Ihrem Bruder sprechen?«, fragte sie. Die junge Frau nickte entschlossen. Sie ging ihnen voran die Treppe hoch, blieb vor einer Tür stehen und klopfte an.
»Mark? Die Polizei ist da und will mit dir reden«, sagte sie. Als sich nichts rührte, öffnete sie die Tür. Das Zimmer befand sich in einem der Erker des Hauses, mit ParkettfuÃboden, groÃen
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