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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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verriet der hellblaue Himmel über den dünnen Nebelschleiern, die über den Wiesen ringsum lagen. Ein freier Sonntag, wie geschaffen für einen langen Spaziergang mit Annika, bei dem man alles in Ruhe besprechen konnte. Er füllte Wasser in den Tank der Kaffeemaschine, drückte den Schalter und erstarrte.
    Zwei dunkle Limousinen rollten auf den noch leeren Parkplatz und blieben direkt vor dem Hoftor stehen. Vier Männer in Anzügen stiegen aus und blickten sich um. Unwillkürlich machte er einen Schritt zurück. Sein Herz begann zu klopfen, als er Heiko Störch und den Dobermann erkannte. Was taten sie hier so früh an einem Sonntagmorgen? Hatten sie erfahren, dass Annika sich hier bei ihm versteckte? Aber wie sollten sie darauf gekommen sein? Die Einzige, die Bescheid wusste, war Pia. Ihm wurde übel. Er hastete ins Wohnzimmer und ergriff das Handy, das er auf dem Couchtisch hatte liegen lassen. Mit bebenden Fingern wählte er die Nummer seiner Eltern.
    Die vier Männer standen noch immer neben ihren Autos und schienen sich zu beratschlagen. Störch telefonierte. Mit wem wohl?
    Â»Geh doch endlich dran«, flüsterte er mit zusammengebissenen Zähnen und ging ungeduldig in dem kleinen Zimmer auf und ab. Endlich meldete sich sein Vater.
    Â»Papa!«, rief er leise. »Eben sind vier Leute vom BKA auf den Hof gefahren. Ich bin sicher, sie werden dich nach Annika fragen. Du musst ihnen sagen, dass du sie über die Bürgerinitiative kennst, aber mehr nicht. Sie war nie hier. Glaubst du, du kannst das tun?«
    Eine Weile hörte er nur den Atem seines Vaters am anderen Ende der Leitung, und erst da fiel Bodenstein ein, dass seine Eltern ja gar nicht wussten, wer Annika in Wirklichkeit war und was man ihr vorwarf.
    Â»Ich soll die Polizei anlügen?«, erwiderte sein Vater verständnislos. »Deine Kollegen?«
    Â»Papa, bitte, tu es einfach«, beschwor Bodenstein seinen Vater. »Ich erkläre dir später, warum! Annika ist in großen Schwierigkeiten, aber sie kann nichts dafür.«
    Er ahnte, wie sehr es seinem gradlinigen, gesetzestreuen Vater missfiel, zu lügen, und fragte sich gleichzeitig, was er ihm später eigentlich erklären wollte. Dass man Annika wegen Mordes suchte? Großer Gott! Auf was hatte er sich da bloß eingelassen?
    Â»Ich hoffe, du weißt, was du tust, Oliver.« Die Missbilligung in der Stimme seines Vaters war kaum zu überhören. »Gutheißen kann ich so etwas nicht.«
    Die vier Männer auf dem Parkplatz hatten sich orientiert und strebten auf das große Tor zu, das in den Innenhof führte.
    Â»Ich komme sofort rüber«, sagte Bodenstein. »Dann übernehme ich das. Aber bitte, Papa …«
    Das Besetztzeichen ertönte. Sein Vater hatte einfach aufgelegt.
    Bodenstein sackte auf die Couch und verbarg das Gesicht in den Händen. Als er Annika versprochen hatte, ihr zu helfen, hatte er nicht über mögliche Konsequenzen nachgedacht, darüber, dass er Unbeteiligte wie seine Eltern oder Pia mit in die Sache hineinzog. Es waren nur fünf Schritte bis zur Haustür. Er musste lediglich aufstehen, hinausgehen und Störch sagen, dass Annika oben in seinem Bett lag. Sie würden sie mitnehmen, und er wäre alle Probleme los. Warum tat er es nicht einfach?
    Ein Geräusch ließ ihn aufblicken. Er hob den Kopf und blickte durch die geöffnete Tür. Annika stand auf der untersten Treppenstufe.
    Â»Ich hab gehört, was du am Telefon gesagt hast. Sie haben mich gefunden«, sagte sie leise. »Ich hätte niemals hierherkommen dürfen. Jetzt bringe ich euch alle in Schwierigkeiten.«
    Bodenstein starrte sie stumm an. Hatte Pia recht? Machte er einen Fehler, wenn er ihr vertraute? Annika erwiderte seinen Blick. Ihre Augen in dem blassen, schmalen Gesicht wirkten riesengroß, wie die eines Rehs, das erschrocken in das Scheinwerferlicht eines herannahenden Autos blickt. In dieser Sekunde fiel seine Entscheidung. Hoffentlich würde er sie niemals bereuen müssen.
    Â»Noch haben sie dich nicht gefunden.« Seine Stimme klang heiser. »Und ich werde dafür sorgen, dass sie es nicht tun.«
    *
    Â»Ich habe heute Nacht noch einmal über alles nachgedacht«, sagte Frauke Hirtreiter, als sie auf einem der Besucherstühle vor dem Schreibtisch Platz genommen hatte. »Schlafen ging ja kaum. Diese schmalen Pritschen sind nicht unbedingt bequem.«
    Sie

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