Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
Trotz seiner Größe waren seine Bewegungen geschmeidig, und selbst das unvorteilhaft bleiche Neonlicht konnte den Eindruck geballter Energie nicht mindern. Glöckner war ein Baum von einem Mann, und Pia fragte sich, wie sie diese auffällige Erscheinung auf dem Parkplatz der WindPro hatte übersehen können.
    Â»Es geht um den vergangenen Dienstag«, begann sie, nachdem sie die Formalitäten für das Protokoll ins Mikrophon gesprochen hatte. »Wir haben erfahren, dass Sie am Abend mit Ludwig Hirtreiter gesprochen haben.«
    Â»Ja, das stimmt«, bestätigte Glöckner, stützte die Arme auf die Tischplatte und faltete seine sonnenverbrannten Pranken. Knapp und sachlich schilderte er, wie Rademacher und er nach einem gemeinsamen Abendessen spontan nach Ehlhalten gefahren waren, um ein weiteres Mal Überzeugungsarbeit bei Ludwig Hirtreiter zu leisten. Da dieser zwar nicht bereit gewesen sei, mit Rademacher zu sprechen, wohl aber mit ihm, habe er ihn auf den Rabenhof gefahren, während Rademacher übel gelaunt auf dem Parkplatz der Krone zurückgeblieben sei. Auf der Fahrt zum Hof hatte Hirtreiter einen müden, erschöpften Eindruck gemacht. Er habe keine Lust mehr, sich zu ärgern, hatte er gesagt. Der Streit innerhalb der Bürgerinitiative und seiner Familie würde ihn zermürben. Das viele Geld interessiere ihn nicht, er fürchte nur, das Gesicht vor den anderen Leuten zu verlieren.
    Â»Wir haben eine gute halbe Stunde geredet«, schloss Glöckner seine Aussage, »dann bin ich wieder gefahren. Hirtreiter wollte noch einmal in Ruhe über eine einvernehmliche Lösung des Problems nachdenken.«
    Es gab bedauerlicherweise nicht den geringsten Grund, an dem, was er sagte, zu zweifeln. Verdammt.
    Â»Ist Ihnen irgendetwas auf dem Hof aufgefallen?«, fragte Pia in der Hoffnung, doch noch irgendetwas Hilfreiches zu erfahren. »Ein Auto? Ein Motorroller? Hat Hirtreiter vielleicht einen Anruf bekommen?«
    Glöckner legte die Stirn in Falten und dachte nach. Zu Pias Enttäuschung schüttelte er aber nach einer Weile den Kopf.
    Â»Na ja. Trotzdem danke.« Sie rang sich ein Lächeln ab. Es war zum Verrücktwerden. »Wenn Sie gleich bitte noch das Protokoll unterschreiben würden, dann dürfen Sie gehen.«
    Sie stand auf und kontrollierte ihr Handy. Bodenstein hatte sich nicht gemeldet. Verdammt. Sein gefährlicher Wettlauf mit dem Verfassungsschutz war nicht eben förderlich für ihre Konzentration. Gerade als sie sich anschickte, den Vernehmungsraum zu verlassen, schien Glöckner noch etwas einzufallen.
    Â»Ach, Frau Kommissarin«, hielt er sie zurück, »ich glaube, da war doch noch etwas, was Sie wissen sollten.«
    Sein Blick schien Pia regelrecht abzuscannen.
    Â»Ja?«
    Â»Ihre Frisur hat mich gerade daran erinnert.« Er lächelte und lehnte sich zurück.
    Â»An was?« Pia trat zurück an den Tisch. Sie hatte sich morgens in der Eile die Haare zu zwei kurzen Zöpfen geflochten, statt sie zu waschen.
    Â»Als ich zurück zum Dorf gefahren bin, da kam mir ein Auto entgegen. Na, der hat’s ja eilig, hab ich mir noch gedacht. Ich musste voll in die Bremsen gehen und fast bis in den Graben ausweichen.«
    Pia ließ ihr Handy sinken und starrte ihn an. In ihr stieg eine Ahnung auf, die sich mit zittrigem Herzklopfen mischte.
    Â»Jetzt machen Sie’s nicht so spannend«, drängte Cem ungeduldig. Glöckner beachtete ihn nicht.
    Â»Am Steuer saß eine Frau. Eine blonde Frau mit Zöpfen. Vielleicht hilft Ihnen das irgendwie weiter.«
    Da war er, jener magische Moment während jeder Ermittlung, der Durchbruch, auf den sie gewartet und gehofft hatte.
    Â»O ja«, erwiderte Pia. »Ich denke, das tut es.«
    *
    Der Schlüssel drehte sich im Schloss, die Haustür schwang auf. Für ein paar Sekunden zeichnete sich schwarz ihr Umriss gegen die Helligkeit draußen ab. Er wappnete sich innerlich, doch beim Duft ihres Parfüms schossen ihm die Tränen in die Augen. Jannis hatte schon vor einer ganzen Weile aufgehört zu reden und stöhnte nur noch hin und wieder leise.
    Â»Hallo, Ricky«, sagte er. Sie fuhr herum und stieß einen unartikulierten Laut des Erschreckens aus. Dann erkannte sie ihn. Der Lauf der Pistole, die sich nach zwei Stunden vertraut in seiner Hand anfühlte, zitterte leicht, als er ihn nun auf Ricky richtete.
    Â»Mensch, Mark! Wie kannst du mich

Weitere Kostenlose Bücher