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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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diejenigen, deren Quittungen noch drin sind, einen Schlüssel behalten haben, dann sind es … äh …«
    Â»Neun«, half Cem, der Pia über die Schulter gesehen und mitgezählt hatte, mit unbewegter Miene.
    Â»Großartig«, bemerkte sie sarkastisch. »Wollten Sie uns das noch sagen?«
    Â»Ja, ja … natürlich. Ich … äh … na ja. Ich hatte es vergessen.«
    Vergesslichkeit schien in dieser Firma an der Tagesordnung zu sein. Der Nachtwächter fuhr zur Tankstelle, um sich Schnaps zu besorgen, und vergaß seinen Schlüssel. Theissen vergaß, dass er in der Mordnacht im Gebäude gewesen war. Der Sicherheitschef vergaß, der Kripo wichtige Fakten mitzuteilen.
    Â»Haben Sie hier irgendwo einen Kopierer?« Pia stand auf.
    Â»Ja, da drüben auf dem Sideboard.«
    Â»Ich mach das«, bot Cem an, und Pia überließ ihm den Ordner. Der Sicherheitschef zupfte abwechselnd an seinem Ziegenbärtchen und seinen Ohrläppchen herum, auf seiner Glatze perlte der Schweiß.
    Â»Erzählen Sie mir etwas über die WindPro«, forderte Pia ihn auf.
    Â»Was wollen Sie wissen?«
    Â»Um was geht es hier? Was macht die Firma?«
    Â»Wir planen und errichten Windenergieanlagen in ganz Deutschland, Europa und mittlerweile sogar im außereuropäischen Ausland«, erwiderte der Mann, nun ganz Pressesprecher, nicht ohne Stolz. Er befand sich wieder auf vertrautem Terrain. »Darüber hinaus kümmern wir uns auch um die Finanzierung, entweder durch einzelne Großinvestoren oder über eine Projektfinanzierung, etwa in Form eines geschlossenen Fonds. Sie können sich das so vorstellen wie schlüsselfertiges Bauen: Der Kunde beauftragt uns damit, einen Windpark zu errichten, und wir erledigen den Rest. Standortsuche, erforderliche Gutachten und Genehmigungen, Planung, Errichtung der Windräder. Wir arbeiten in jedem Bereich nur mit den besten Fachleuten und genießen in der Branche einen ausgezeichneten Ruf.«
    Uns. Wir. Der Sicherheitschef respektive Pressesprecher identifizierte sich vollkommen mit seinem Arbeitgeber.
    Â»Was, denken Sie, könnte jemanden dazu veranlassen, hier einzubrechen?«, fragte Pia und brachte den Mann damit wieder aus dem Konzept.
    Â»Das weiß ich beim besten Willen nicht«, erwiderte er achselzuckend. »Soweit mir bekannt ist, gibt es keine größeren Bargeldmengen im Haus, und unser Know-how ist nicht so geheim, dass es Konkurrenten zu einem Einbruch veranlassen könnte.«
    Â»Wissen Sie denn, ob einer der Ehemaligen, die ihren Schlüssel nicht abgegeben haben, im Streit aus der Firma ausgeschieden ist?«, erkundigte sich Cem vom Kopierer aus.
    Ein kurzes Zögern.
    Â»Von einem Mitarbeiter weiß ich das ganz sicher, obwohl ich ihn persönlich nicht mehr kennengelernt habe«, sagte der Sicherheitschef. »Er hat uns auch in den vergangenen Monaten immer wieder Ärger gemacht, wegen des Windparkprojekts im Taunus, das in Kürze realisiert wird. Sein Name ist Jannis Theodorakis. Und er hat seinen Schlüssel nicht abgegeben, als ihm gekündigt wurde.«
    *
    Mark lag auf seinem Bett. Er hatte den Ton des Fernsehers abgestellt und betrachtete sein Lieblingsfoto von Ricky auf seinem Handy. Sie hatte ihm heute Nachmittag echt leidgetan! Was fiel dem alten Hirtreiter bloß ein? Nachdem Ricky und er die Schilder und Plakate weggebracht hatten, waren sie mit ein paar anderen Leuten von der Bürgerinitiative noch in eine Pizzeria in Königstein gegangen. Natürlich war die Ohrfeige den ganzen Abend Gesprächsthema gewesen, genauso wie die zwei Millionen Euro, die Hirtreiter bei einem Verkauf der Wiese bekommen sollte. Nach und nach waren alle gegangen, und Jannis hatte irgendwann nur noch mit Nika geredet. Es war albern, auf Nika eifersüchtig zu sein, das wusste er, aber irgendwie hatte er das Gefühl, sie hätte sich in seine Familie gedrängt.
    Mark war so in Gedanken, dass er die Schritte auf der Treppe nicht hörte. Plötzlich stand sein Vater in der Tür. Er sah alles andere als gutgelaunt aus.
    Â»Dein Lehrer hat vorhin angerufen. Du warst heute wieder nicht in der Schule«, legte sein Vater los. »Warum nicht?«
    Mark klappte sein Handy zu und schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Es interessierte seinen Alten sowieso nicht die Bohne.
    Â»Mach die Glotze aus und schau mich an, wenn ich mit dir rede!«
    Mark schaltete

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