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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Kompagnon etwas zu spüren. Mit Kennerblick taxierte Bodenstein Theissens Kleidung. Designeranzug und Hemd, die dezent gemusterte Krawatte Massenware, aber gehobene Preisklasse, die Schuhe handgenäht. Stefan Theissen legte großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres.
    Â»Wen halten Sie denn für verdächtig?«, fragte Pia ihn gerade.
    Â»Der Mann heißt Jannis Theodorakis. Er hat mal für uns gearbeitet«, erwiderte Theissen.
    Â»Ach.« Pia tat überrascht. »Theodorakis. Das ist der von der Bürgerinitiative. Ich habe ihn gestern im Fernsehen gesehen. Da hatte ich allerdings nicht unbedingt den Eindruck, als würde er scherzen. Er hat schwerwiegende Vorwürfe gegen Ihre Firma geäußert.«
    Theissen und Rademacher wechselten einen raschen Blick.
    Â»Seine Behauptungen sind bösartige Verleumdung«, sagte Rademacher. »Wir haben vor neun Monaten die Zusammenarbeit mit Theodorakis beendet. Jetzt will er sich an uns rächen, und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Wir werden ihn deswegen verklagen.«
    Er war einige Jahre älter als Theissen, etwa Mitte fünfzig. Sein Gesicht mit den schlaffen Wangen war nichtssagend, durch das dünne, blonde Haar schimmerte rosig die Kopfhaut. Rademacher war nicht weniger selbstsicher als Theissen, aber weitaus weniger eitel. Beim Sprechen entblößte er unregelmäßige, gelbliche Zähne unter seinem dicken Schnauzbart, sein zerknitterter Anzug dünstete Zigarettenrauch aus. Bodenstein trat an ein Sideboard, auf dem gerahmte Fotos standen. Windräder, lachende Männer in Anzügen auf Baustellen. Familienfotos. Gutaussehender Papa, hübsche Mama und drei Kinder. Ein ernster blonder Junge in Anzug und Fliege mit einer Geige. Zwei lächelnde Mädchen auf Skiern im Schnee. Papa und Mama vor einem Sonnenuntergang in den Bergen.
    Â»Die Unterstellungen entbehren jeder Grundlage«, pflichtete Theissen seinem Vorstandskollegen bei. »Kein einziger Umweltverband hat irgendwelche Bedenken, aber ganz plötzlich soll das alles nicht stimmen.«
    Bodenstein räusperte sich.
    Â»Welche Position hatte Herr Theodorakis in Ihrer Firma?«, fragte er.
    Â»Er war Teamleiter der Projektentwicklung«, erwiderte Theissen. »Zuständig für Standortakquise und die Betreuung der Windkraftprojekte in allen Entwicklungsstufen.«
    Â»Weshalb haben Sie ihn entlassen?«
    Â»Es gab Meinungsverschiedenheiten.«
    Â»Welcher Art?«
    Â»Das sind Firmeninterna«, sagte Theissen ausweichend.
    Â»Sie sind also nicht im Guten auseinandergegangen«, mutmaßte Bodenstein und erkannte an Theissens Miene, dass er recht hatte.
    Â»Theodorakis war ein Querulant, der das Betriebsklima vergiftete«, mischte sich Rademacher ein. »Er hielt sich nicht an Absprachen und stieß damit mehrfach Kunden vor den Kopf. Als wir seinetwegen beinahe einen wichtigen Auftrag verloren haben, war das Maß voll. Er war für uns nicht mehr tragbar.«
    Â»Sie erwähnten vorhin das Wort Rache«, sagte Bodenstein. »Für was will Theodorakis sich denn an Ihnen rächen?«
    Â»Er machte nach seiner Entlassung einen Riesenwind und zog vors Arbeitsgericht, aber dort verlor er«, antwortete Rademacher und hustete gurgelnd. »In unserer Branche kennt jeder jeden, niemand wollte ihn danach mehr einstellen. Daran gibt er uns bis heute die Schuld, dabei hat er sich selbst ins Abseits manövriert.«
    Â»Hatte er mit den Planungen für den Windpark Taunus noch zu tun?«
    Â»Nur ganz im Anfangsstadium. Er wurde letztes Jahr im August entlassen.«
    Pia öffnete ihre Tasche und zog eine Kopie des Blattes heraus, das Kröger unter dem Kopierer im Sekretariat gefunden hatte. Sie reichte es Theissen.
    Â»Was ist das?«, fragte er und legte die Stirn in Falten.
    Â»Das würden wir gerne von Ihnen wissen.«
    Theissen betrachtete die Kopie und runzelte die Stirn, dann reichte er das Blatt mit unbewegter Miene an Rademacher weiter.
    Â»Sieht aus wie die Seite eines Gutachtens.« Er verschränkte die Arme. »Woher haben Sie das?«
    Â»Es lag auf dem Boden unter dem Kopierer in Ihrem Vorzimmer.« Bodenstein ließ Theissen nicht aus den Augen. »Wir dachten uns schon, dass es nichts Außergewöhnliches ist. Seltsam erschien uns eigentlich nur die Uhrzeit, zu der der Kopierer das letzte Mal benutzt wurde. Laut Protokoll geschah das nämlich am Samstag, dem 9 . Mai, zwischen 2 : 43

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