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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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den Kopf, als sie begriff, dass sie Opfer eines ziemlich plumpen Ablenkungsmanövers geworden war. Seit ein paar Wochen häuften sich die Ladendiebstähle, besonders hoch im Kurs standen T-Shirts einer besonderen Marke und Pferdezubehör aller Art.
    Frauke folgte Nika nach draußen und schloss die Ladentür ab. Mit ihrer Körperfülle hatte sie nicht den Hauch einer Chance, die Diebin einzuholen, sie keuchte schon nach ein paar Metern im Gegensatz zu Nika, die bereits leichtfüßig die steil ansteigende Straße hochgelaufen war und die Mädchen an der Ecke zur Fußgängerzone erreicht hatte.
    Die Schule war aus, Massen von Schülern strebten durch die Fußgängerzone zum Busbahnhof. Nika hielt ein dunkelhaariges Mädchen fest, das einen rosa Rucksack auf dem Rücken trug. Deren Freundinnen zeterten laut, und zwei halbwüchsige Jungs, die offenbar mit den Mädchen unter einer Decke steckten, näherten sich Nika von hinten. Einer von ihnen umfing sie mit beiden Armen, während die Mädchen zur Flucht ansetzten, doch dann sah Frauke etwas Unglaubliches. In Bruchteilen von Sekunden hatte Nika sich aus der Umklammerung des jungen Mannes befreit. Mit tigerhafter Anmut vollführte sie eine Pirouette, dann flog ihr Angreifer durch die Luft und krachte unsanft aufs Pflaster. Der andere stürzte sich ebenfalls auf Nika und teilte das wenig schmeichelhafte Schicksal seines Kumpels. Die Mädchen starrten Nika sichtlich eingeschüchtert an.
    Â»Wenn du mir gibst, was du eben geklaut hast, rufe ich nicht die Polizei«, hörte Frauke Nika sagen. Die Diebin öffnete widerspruchslos ihren rosa Rucksack, zog ein zusammengeknülltes T-Shirt hervor und warf es Nika mit trotziger Miene vor die Füße. Die Jungs hatten sich aufgerappelt und verschwanden hinkend in der Menge der neugierigen Gaffer.
    Â»Aufheben«, befahl Nika. Frauke sah staunend zu, wie sich das Mädchen nun bückte und das gestohlene T-Shirt aufhob. Nika stand gelassen da, und trotz ihres altmodischen Kleides, der grauen Strickjacke und den schäbigen Turnschuhen strahlte sie eine Autorität aus, die Frauke nie zuvor an ihr bemerkt hatte. Das Mädchen reichte Nika das T-Shirt.
    Â»Danke. Und jetzt verschwindet. Ich will keine von euch mehr in unserem Laden sehen, sonst gibt’s eine Anzeige.«
    Die diebischen Elstern zogen das Genick ein und trollten sich, die Menge löste sich auf. Frauke war sprachlos. Hätte sie es nicht mit eigenen Augen gesehen, so hätte sie nie und nimmer geglaubt, dass die zierliche, stille Nika zwei Jungs derart mühelos aufs Kreuz legen könnte.
    Doch Nika schien über ihre Heldentat nicht sprechen zu wollen. Schweigend ging sie an ihr vorbei und die Kirchstraße hinunter, Frauke musste beinahe rennen, um mit ihr Schritt zu halten.
    Â»Du hast die beiden Jungs echt plattgemacht!«, rief sie ungläubig und voller Bewunderung. »Woher kannst du denn Karate?«
    Â»Das war Jiu-Jitsu«, berichtigte Nika.
    Â»Total irre! Das hätte ich dir nie zugetraut!«, keuchte Frauke. »Wenn ich das Ricky erzähle, wird sie …«
    Nika blieb so abrupt stehen, dass Frauke beinahe in sie hineingelaufen wäre.
    Â»Ich will nicht, dass du Ricky etwas erzählst«, sagte sie knapp und ohne die Spur eines Lächelns.
    Â»Versprichst du mir das?«
    Â»Ja, aber das war doch …«, begann Frauke verwirrt.
    Â»Versprichst du es mir?«, drängte Nika. Das klang nicht bittend, eher drohend.
    Â»Ja, okay«, murmelte Frauke eingeschüchtert. »Ich versprech’s.«
    Â»Ich verlass mich auf dich.« Nika setzte sich wieder in Bewegung. Frauke blieb stehen und blickte ihr verständnislos nach, wie sie die Straße überquerte und im Laden verschwand.
    *
    Â»Wir haben den Verdacht, dass ein ehemaliger Mitarbeiter hinter dem Scherz mit dem Hamster steckt«, sagte Dr. Stefan Theissen.
    Â»Scherz?« Pia hob die Augenbrauen. »Für einen Scherz hat derjenige aber mit dem Einbruch ziemlich viel riskiert.«
    Bodenstein überließ Pia das Gespräch mit den beiden Chefs der WindPro, er hielt sich im Hintergrund, sah sich in dem großen Büro um und versuchte, die beiden Männer einzuschätzen. Theissen machte einen selbstsicheren und gelassenen Eindruck. Von Nervosität, wie sie die meisten Menschen in einem Gespräch mit der Kriminalpolizei befiel, war weder bei ihm noch bei seinem

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