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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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atmen.
    Â»Jetzt gaaanz langsam die Kupplung kommen lassen«, kommandierte Ricky und verringerte sanft den Druck auf sein Bein. »Gleichzeitig Gas geben, aber nicht zu viel.«
    Mark nickte heftig und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, den Blick starr auf den Feldweg gerichtet. Wie sollte er sich aufs Autofahren konzentrieren, wenn ihre Hand auf seinem Bein lag? Er spürte den sanften Druck ihrer Brüste an seinem rechten Arm, atmete den Duft ihres Shampoos.
    Langsam kommen lassen, dachte er, und etwas Gas … Ja! Er fuhr! Das Auto rollte den Weg entlang. Ricky nahm ihre Hand von seinem Bein und wandte ihm ihr lächelndes Gesicht zu.
    Â»Super!«, lobte sie. Ihr Mund war keine dreißig Zentimeter von seinem entfernt. »Kupplung treten, Gas weg, in den zweiten Gang schalten.«
    Es klappte, aber er vergaß, nach dem Schalten Gas zu geben, und der Motor soff wieder ab.
    Â»Vielleicht solltest besser du fahren«, sagte er niedergeschlagen. »Sonst kommen wir heute nicht mehr in den Laden.«
    Â»Quatsch.« Ricky schüttelte energisch den Kopf. Ȇbung macht den Meister. Du fährst jetzt bis zur Siedlung, dann tauschen wir.«
    Er ließ erneut den Motor an und schaffte es bis in den zweiten Gang, ohne das Auto abzuwürgen. Vor ein paar Wochen hatte sie ihn das erste Mal heimlich fahren lassen. Einfach so.
    Â»Na los, versuch’s mal«, hatte sie plötzlich gesagt und gegrinst. »Bis zur ersten Fahrstunde kannst du perfekt fahren.«
    Das war typisch Ricky! Sie war einfach nur cool und behandelte ihn nie wie ein kleines Kind. Marks Bewunderung für Ricky war grenzenlos. Sie konnte einfach alles: Ohne jede Hilfe sprang sie auf den blanken Rücken ihrer Pferde, sie sprach fließend Englisch, weil sie an einer Eliteuniversität in Kalifornien studiert hatte – Raumfahrttechnik, und das als eine von nur sieben Frauen! Ricky konnte zupacken wie ein Mann, mit Tieren umgehen, hatte vor nichts Angst und wusste immer einen Rat. Dazu sah sie hammermäßig gut aus. Der Tag, an dem er ihr zum ersten Mal begegnet war, war für Mark der Wendepunkt in seinem Leben gewesen. So wie sie wollte er sein, so stark, so ehrlich, aufrichtig und unbekümmert. Ricky machte im Gegensatz zu anderen Erwachsenen nie leere Versprechungen, sie hielt ihr Wort, log nicht und speiste ihn nie mit irgendwelchen blöden Floskeln ab. Und das Schönste war, dass sie ihn allen anderen Menschen vorzog – mal abgesehen von Jannis, aber der war schließlich ihr Freund, das war okay.
    Â»Schalten!«, erinnerte sie ihn, als sich der Drehzahlmesser neben dem Tacho der 4000 näherte und der Motor schmerzvoll jaulte.
    Gas weg, Kupplung, schalten, Gas geben. Der schwarze Audi schnurrte zufrieden den asphaltierten Weg zwischen den blühenden Apfel- und Kirschbäumen entlang, die laue Luft wehte durch das offene Fenster.
    Â»Ich kann’s!«, jubelte Mark und strahlte. »Ich kann Auto fahren!«
    Â»Klar. Du kannst alles, wenn du’s nur richtig willst«, erwiderte Ricky und lächelte. Sie tippte auf die Tasten des CD -Players, wenig später dröhnte Kid Rocks All Summer Long aus den Boxen. Mark fand das Lied eigentlich ziemlich scheiße, aber Ricky liebte es, weil es sie an ihre Zeit in Kalifornien erinnerte, und deshalb hatte er beschlossen, es auch cool zu finden.
    Â»Richtig gut machst du das!«, rief sie ihm über die laute Musik zu. »Wenn du erst den Führerschein hast, fahren wir zusammen den Pacific Coast Highway No. 1 hoch. Von San Diego bis San Francisco!«
    Mark nickte überglücklich.
    Â» And we were trying different things, we were smoking funny things, making love out by the lake to our favourite song «, sang sie, und er fiel ein. Eine blonde Strähne hatte sich aus ihren Zöpfen gelöst und flatterte im Fahrtwind. Sie war so wunderschön, er hätte sie am liebsten dauernd angeschaut.
    Â»Sipping Whiskey out the bottle, not thinking about tomorrow, singing Sweet Home Alabama all summer long!«
    Sie grinsten sich an, und Mark wünschte, die knapp drei Kilometer lange Fahrt würde nie zu Ende gehen.
    *
    Er hatte am Freitagabend einen Fehler gemacht, aber ein schlechtes Gewissen nützte jetzt auch niemandem mehr. Langsam stieg Jannis die Wendeltreppe hoch. Der Dachboden war sein Rückzugsort. Hier hatte haariges, vierbeiniges Viehzeug nichts zu suchen, und auch Ricky kam nur selten

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