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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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bis beides leicht gebräunt war, dann fügte sie den gewürfelten Parmaschinken hinzu und zupfte drei Blättchen Salbei von dem kleinen Busch, der auf der Fensterbank stand. Der würzige Duft ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Â»Aber es ist schön«, sagte Christoph. »Schau dir mal die Fotos an.«
    Pia trat zu ihm und warf einen flüchtigen Blick über seine Schulter.
    Â»Willst du morgens echt über eine Stunde zur Arbeit fahren?«, fragte sie.
    Christoph brummte etwas Unverständliches und klickte das nächste Angebot an. In den letzten Monaten waren sie durch die halbe Wetterau bis in den Vogelsberg gefahren, aber nichts von dem, was sie sich angesehen hatten, passte. Zu teuer, zu groß, zu klein, zu weit weg. Es war zum Verzweifeln. Pia löschte Schinken, Knoblauch und Pinienkerne mit etwas Marsalawein ab, fischte eine Nudel aus dem Wasser und probierte. Noch zwei Minuten. In dem Moment klingelte es, und die Hunde, die unter und neben dem Küchentisch gedöst hatten, sprangen wie der Blitz auf und begannen zu bellen.
    Â»Ruhe!«, rief Pia, und das Gebell verstummte. »Wer kann das denn sein?«
    Sie nahm den Hörer der Gegensprechanlage ab. Auf dem Schwarzweißmonitor erkannte sie nur schemenhaft ein Gesicht. Was wollte Miriam denn hier? Sie drückte auf den Türöffner.
    Â»Wer ist es?«, erkundigte sich Christoph. Er gab seine Hofsuche vorübergehend auf und klappte den Laptop zu.
    Â»Miriam«, erwiderte Pia. »Kannst du bitte die Nudeln abgießen und in die Schüssel tun?«
    Sie ging in den Windfang, schlüpfte in ihre hellblauen Crocs und öffnete die Haustür. Das schwarze BMW -Cabrio kam bereits die Auffahrt hoch und hielt neben ihrem Nissan. Miriam stieg aus.
    Â»Hey!« Pia lächelte. »Das ist aber eine Überra…«
    Sie verstummte erschrocken, als sie sah, in welchem Zustand ihre beste Freundin war. Offenbar war sie überstürzt aufgebrochen, denn sie trug eine Jogginghose und war ungeschminkt, ziemlich untypisch für Miriam, die immer scheinbar mühelos gepflegt und elegant aussah.
    Â»Was ist denn los?«, fragte Pia alarmiert.
    Miriam blieb vor ihr stehen, ihre großen, dunklen Augen schwammen in Tränen.
    Â»Ich bin so sauer«, stieß sie hervor. »Stell dir vor, was eben passiert ist: Die Löblich ruft an und sagt, dass sie ihr Kind gekriegt hat. Und Henning lässt alles stehen und liegen und … und fährt zu ihr!«
    Pia traute ihren Ohren nicht. War Henning von allen guten Geistern verlassen?
    Â»Ich kann’s gar nicht glauben!« Miriam hob die Schultern, ihre Stimme zitterte. Eine Träne rann über ihr blasses Gesicht, dann noch eine. »Er hat mir immer wieder versichert, dass er mit dieser blöden Kuh nichts mehr zu tun hat, und dann muss sie nur anrufen und er … er …«
    Sie brach ab und warf sich verzweifelt weinend in Pias Arme.
    Â»Wie kann er mir nur so weh tun?«, schluchzte sie dumpf.
    Darauf wusste Pia auch keine Antwort. Sie hatte schon vor vielen Jahren aufgegeben, das Verhalten ihres Exmannes verstehen zu wollen.
    Â»Jetzt komm erst mal rein«, sagte sie zu Miriam. »Du isst was mit uns, und dann sehen wir weiter, okay?«
    *
    Frauke blickte wohl zum fünfzigsten Mal aus dem Fenster in die Dunkelheit. Es war gleich zehn Uhr, das Treffen in der Krone musste längst vorüber sein! Wo blieb der Alte nur?
    Â»Wahrscheinlich hat er unsere Autos gesehen«, vermutete Matthias.
    Â»Quatsch«, entgegnete Frauke. »Ihr parkt doch hinter der Scheune. Da guckt er nicht.«
    Sie kannte die Angewohnheiten ihres Vaters genau. Wenn er abends nach Hause kam, stellte er sein Auto in die Garage, ließ den Hund raus und ging mit ihm hoch an den Waldrand. Anschließend kontrollierte er, ob Stall, Schlachthaus, Vogelvoliere und Werkstatt abgeschlossen waren. Bis zur Scheune, die auf der anderen Seite des Grundstücks lag, ging er nie.
    Â»Er hat mir heute Morgen einfach das Telefon eingehängt, dieser sture alte Bock.« Matthias trat an den bemalten Bauernschrank, in dem der Vater seine Alkoholvorräte aufbewahrte. Er öffnete die Türen, nahm ein Glas und betrachtete angewidert die Flaschen. Obstbrand, Korn, Strohrum. Hatte der Alte nichts Gescheites zu trinken? Schließlich entschied er sich für einen Cognac und schenkte sich das Glas randvoll.
    Â»Sauf nicht so viel«, zischte Frauke.

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