Wer Wind sät
hierher. Er öffnete die beiden Fenster der gegenüberliegenden Dachgauben, um für ein wenig Durchzug zu sorgen, und schaltete den Computer ein. Sein Schreibtisch stand in der Gaube, die nach Westen zeigte, von dort konnte er über das Tal, in dem das Tierheim lag, bis hoch zur Königsteiner Burgruine schauen. Jannis verdrängte energisch unangenehme Gewissensbisse, die störten ihn nur beim Nachdenken. Heute Abend war Vorbesprechung in der Krone in Ehlhalten, da musste er die anderen Mitglieder der Bürgerinitiative davon überzeugen, dass nicht Hirtreiter morgen ihre Sache auf der Bürgerversammlung vertreten sollte, sondern er.
Die Sonne schien warm durch das geöffnete Fenster und zeichnete ein helles Viereck auf den grauen Teppichboden. Eine aufdringliche Fliege summte um ihn herum und setzte sich auf den Computerbildschirm. Er verjagte sie geistesabwesend, rief sein E-Mail-Programm auf und grinste zufrieden, als er sah, dass Mark Wort gehalten hatte. So lästig und nervtötend der Junge manchmal sein konnte, in dieser Sache war er wirklich Gold wert.
Nachdem Jannis die elf E-Mails ausgedruckt hatte, ging er ins Internet und tippte den Namen »WindPro« in die Google-Suchleiste. Das tat er mittlerweile regelmäÃig, schlieÃlich musste er auf dem aktuellsten Stand sein, was den Feind betraf. Er überflog die neuesten Ergebnisse, als ihm ein Name ins Auge sprang, der bei ihm irgendeine verschwommene Assoziation weckte. Er rief den Artikel auf und betrachtete das Foto neben dem Text. Professor Dirk Eisenhut, der Direktor des Deutschen Klima-Instituts, am Freitag, dem 15 . Mai, in Königstein zu Gast, las er. Dr. Stefan Theissen, der Vorsitzende des Wirtschaftsclubs Vordertaunus, freut sich auf den prominenten Wissenschaftler.
In Jannisâ Gehirn arbeitete es. Wo war ihm der Name Eisenhut erst kürzlich begegnet? Und in welchem Zusammenhang? Eine Weile saà er grübelnd da und starrte das Foto auf dem Bildschirm an, dann fiel es ihm ein. Natürlich! Er zog die unterste Schublade seines Schreibtisches auf und nahm die kostbaren Unterlagen heraus, die er über Wochen und Monate gesammelt und sorgfältig archiviert hatte. Sie würden morgen Abend für eine gewaltige Ãberraschung sorgen. Ungeduldig blätterte er den dicken Ordner durch, bis er gefunden hatte, was er suchte. Eines der beiden positiven Gutachten, die Einfluss auf die Baugenehmigung für den Windpark Ehlhalten gehabt hatten, war vom Deutschen Klima-Institut angefertigt worden. Das konnte kein Zufall sein! Professor Eisenhut hatte offenbar einem Freund einen Gefallen getan. Vielleicht war sogar Geld dafür geflossen.
Jannis grinste boshaft. Er freute sich auf Theissens Gesicht, wenn der morgen erfuhr, in wessen Hände diese Unterlagen geraten waren! Das offensichtlich gefälschte Gutachten war das Sahnehäubchen auf der Torte. Die hieb- und stichfesten Beweise, die er in gut vierundzwanzig Stunden Presse und Ãffentlichkeit präsentieren würde, bedeuteten das unwiderrufliche Ende des Windparks Taunus. Und den Anfang vom Ende der WindPro. Denn aus dieser Sache würde sich der schleimige Theissen nicht mehr so leicht herauswinden können.
Jannis verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte nachdenklich aus dem Fenster. Da war noch etwas. Was war es blo� Er wedelte mit der Hand die Fliege weg, die unbedingt in seinem Gesicht sitzen wollte. Und plötzlich zuckte die Erinnerung durch seinen Kopf. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf, rannte die Treppe hinunter, riss die Haustür auf und stürzte an die blaue Mülltonne. Die Zeitung von gestern lag ganz oben auf dem Berg von Altpapier. Jannis knallte den Deckel der Tonne zu und breitete die Zeitung darauf aus. Ungeduldig blätterte er bis zum Lokalteil. Und da war es.
»Klimapapst Eisenhut stellt sein neues Buch vor «, lautete die Ãberschrift, darunter war ein Foto von Professor Dr. Dirk Eisenhut abgebildet. » Am kommenden Freitag wird der Direktor des Deutschen Klima-Instituts im Kempinski-Hotel in Falkenstein seinen gerade erschienenen Bestseller âºDer blaue Planet sieht rotâ¹ vorstellen. Der Wirtschaftsclub Vordertaunus lädt die interessierte Ãffentlichkeit zur Lesung und anschlieÃenden Diskussion mit Prof. Eisenhut, dem Berater der Bundesregierung in Klimafragen, herzlich ein â¦Â«
Jannis riss die Seite heraus, stopfte den Rest der
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