Wer Wind sät
Hände, das Tier hob den Kopf und starrte ihn aus der Ferne einen Moment lang an, bis es wie der Blitz zwischen den Bäumen im Unterholz verschwand. Der kurze Augenblick hatte genügt, um Bodenstein erkennen zu lassen, dass er das Raubtier beim Fressen gestört hatte. Von einer düsteren Vorahnung getrieben lief er los. Die Wiese mit dem groÃen Teich, die Ludwig als seinen Garten bezeichnete, erstreckte sich bis zum Waldrand. Bodenstein trat durch das Tor des niedrigen Jägerzauns, ging an dem seit Elfis Tod verwilderten Gemüsegarten und den Spalierrosen vorbei. Rechts lag der Teich, fast schon ein kleiner See, umstanden von mächtigen Trauerweiden. Die Wasseroberfläche war spiegelglatt und reflektierte den verhangenen Morgenhimmel. Als er die Stelle oberhalb des Sees erreichte, an der er den Fuchs gesehen hatte, blieb er stehen. Keine drei Meter weiter, mit dem Rücken an den knorrigen Stamm eines Kirschbaumes gelehnt, saà sein Freund inmitten von Bärlauch und Waldmeister und blickte hinunter auf den Teich. Das weiÃe Haar hing ihm nass auf die Schultern.
»Ludwig!«, rief Bodenstein erleichtert. »Da bist du ja! Ich habe mir schon Sorgen â¦Â«
Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Sein Herzschlag setzte kurz aus, ihm wurde übel.
»GroÃer Gott«, stieà er entsetzt hervor und sackte in die Knie.
*
Ãber Nacht hatte es geregnet, ein grauer Maimorgen war angebrochen, sattgrün und neblig feucht. Während Pia in ihre schmutzigen Gummistiefel schlüpfte, dachte sie über Miriam nach. Ihr war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, sie allein auf dem Birkenhof zurückzulassen. Ihre Freundin war in einer schlimmen Verfassung, auch wenn anderthalb Flaschen St. Nicolas de Bourgeuil ihr seelisches Gleichgewicht gestern Nacht einigermaÃen wiederhergestellt hatten. Wie konnte Henning ihr nur so etwas antun? Pia war stinksauer auf ihn. Jeder Versuch, ihn zu erreichen, war fehlgeschlagen, er meldete sich weder auf seinem Handy noch am Festnetztelefon. Ein halbes Jahr lang hatte er alles getan, damit Miriam ihm seinen folgenreichen Seitensprung verzieh, und seit ein paar Wochen schien zwischen den beiden wieder alles im Lot zu sein. Doch dann reichte ein Anruf von dieser Löblich, und alles war vergessen! Unfassbar!
»Mach dir nicht zu viele Sorgen wegen Miriam«, riet Christoph, als sie gemeinsam über den Hof gingen. Pia blieb stehen und runzelte die Stirn.
»Tu ich nicht«, entgegnete sie. »Eigentlich ärgere ich mich mehr darüber, dass ich schon wieder in die Probleme anderer Leute reingezogen werde. Aber Miriam ist eben meine Freundin.«
»Ist ja auch okay, dass du ihr zuhörst und für sie da bist.«
Nein, das war nicht okay. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, stundenlang über ihren Exmann zu reden, während Christoph dabeisaÃ. Sie selbst wäre im umgekehrten Fall sicherlich alles andere als begeistert gewesen.
»Du musst dir das alles anhören«, sagte sie schlieÃlich. »Das tut mir echt leid.«
»Ach, du sorgst dich um mich?« Christoph trat näher zu ihr hin, zog sie an sich und gab ihr einen Kuss. Er lächelte. »Na ja, so ein bisschen eifersüchtig bin ich schon. Aber das kannst du wiedergutmachen.«
»Echt?« Pia grinste. »Sag mir wie. Ich tuâs sofort.«
»Indem du heute Abend mit mir essen gehst. Meine Kollegen aus Berlin und Wuppertal sind da, und ich würde mich freuen, wenn du dabei bist.«
»Das schaffe ich wahrscheinlich nicht«, antwortete sie bedauernd. »Heute Abend ist diese Bürgerversammlung in Ehlhalten, da muss ich hin. Es sei denn, wir können vorher mit diesem Typen reden, den mein Chef im Visier hat.«
»Klar. Job geht vor.« Christoph hob kurz die Augenbrauen und lieà sie los. Mist. Vor dem Urlaub hatten sie eine kurzzeitige Verstimmung gehabt, wenn auch keinen echten Streit. Nach zwei Wochenend-Lehrgängen und Bereitschaft am Wochenende darauf hatte sie ihn nicht auf ein Geschäftsessen begleiten können. Christoph hatte sich nicht beschwert, aber ausgerechnet die Zootierärztin Inka Hansen mitgenommen, die Pia nicht sonderlich leiden konnte.
»Ich bitte meine Kollegen hinzugehen«, sagte sie deshalb. »Dann kann ich mitkommen. Versprochen.«
»Okay, dann heute Abend um sieben in meinem Büro. Ich reserviere einen Tisch in der Lodge um halb acht.«
»Wunderbar. Ich freu mich
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