Wer Wind sät
drauf.«
Er lächelte, und Pia wurde ganz warm ums Herz. Sie hatte sich im Urlaub fest vorgenommen, nicht denselben Fehler zu machen wie Henning, dessen Arbeit letztendlich ihre Ehe ruiniert hatte. Dazu war ihr Christoph viel zu wichtig.
Sie küsste ihn zum Abschied und sah zu, wie er in sein Auto stieg, wendete und die Auffahrt hinunterfuhr. Gerade als sie die Pferde auf die Koppel gebracht hatte, klingelte ihr Handy. Sie warf einen Blick auf das Display. Bodenstein.
»Pia!«, rief er, und seine Stimme klang eigenartig, »⦠brauche dich hier ⦠dringend ⦠Ehlhalten ⦠Rabenhof.«
Die Verbindung war schlecht, aber was sie hörte, jagte ihr einen gewaltigen Schrecken ein. »⦠schon da. Mein Vater ⦠gefunden ⦠erschossen!«
Pia spürte, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten.
»Ich kann dich nicht verstehen!«, schrie sie in ihr Handy. Aber das Gespräch war bereits abgebrochen.
Ungeduldig trommelte Pia wenig später mit den Fingern auf das Lenkrad und wartete, dass ihr einer dieser egoistischen Idioten gestattete, sich in die endlose Reihe von Autos einzufädeln, die aus Unterliederbach und Zeilsheim kommend Richtung A 66 fuhren. Sie spielte mit dem Gedanken, das Blaulicht, das hinter dem Beifahrersitz lag, aufs Dach zu setzen, aber genau in diesem Augenblick hatte ein Autofahrer Erbarmen und verlangsamte sein Tempo, allerdings mit Lichthupe und heftigem Handwedeln. Beeil dich schon, blöde Kuh , konnte sie in seiner genervten Miene lesen und verzichtete deshalb auf ein Dankeschön. Fünfzig Meter weiter verschwand der GroÃteil der Autofahrer auf die Autobahn Richtung Frankfurt, Pia gab Gas. Vergeblich versuchte sie erst Bodenstein zu erreichen, dann ihren Exmann.
»Zur Hölle mit dir, Henning«, murmelte sie verärgert.
*
Er hätte die Promotiontour für sein neues Buch in Zugabteilen erster Klasse oder per Flugzeug in der Business-Class antreten können, doch er zog es vor, mit seinem Auto quer durch Deutschland zu fahren. Die langen Autobahnfahrten gaben ihm Zeit, nachzudenken. AuÃerdem war er unabhängig und hatte seine Ruhe. Menschenmassen an Bahnhöfen und Flughäfen waren ihm ein Graus, das tat er sich nur an, wenn er ins Ausland musste und es sich nicht vermeiden lieÃ. Im Institut ging das Gerücht um, er leide unter Flugangst, aber es war ihm schon lange egal, was man hinter seinem Rücken über ihn redete. Damit musste er sich abfinden, genauso wie mit den Speichelleckern, den Neidern, den Ja-Sagern und den Intriganten. Als Direktor des Deutschen Klima-Instituts hatte er sehr viel Einfluss, war aber auch Hassfigur all derer, die Zweifel an der Richtigkeit der Klimapolitik hegten, die er vertrat. Dirk Eisenhut lieà den Motor seines XC 90 an. Die erste Station seiner Reise war Hamburg. Mittags eine Signierstunde im Europa-Zentrum am Jungfernstieg und abends ein Vortrag. Während er Richtung A 10 fuhr, gab er die Adresse ins Navigationssystem ein. 284 Kilometer, Ankunftszeit 11 : 43 und voraussichtlich keine Verkehrsstörungen. Seine Gedanken kreisten einmal mehr um Bettina und den Abend des 31 . Dezember. Vor dem Hintergrund seiner exponierten Stellung waren die Umstände des Brandes in seinem Potsdamer Haus gründlich untersucht worden â angeordnet von oberster Stelle, denn es hatte immer wieder Drohungen und Beschimpfungen gegeben, per Post oder Internet und häufig anonym. Sogar ein Anschlag war vermutet worden. Man hatte ihn gefragt, ob er Feinde habe. Natürlich hatte er die, massenweise. Für die weltweite Fraktion der Klimaskeptiker war er, Professor Dr. Dirk Eisenhut, die Verkörperung allen Ãbels, der Lügner, der Profiteur der Klimaangst, die sein Institut angeblich schürte. Auch unter den Kollegen hatte er Feinde. Man neidete ihm seinen Erfolg. Seine Beziehungen und sein Einfluss reichten bis in die Führungsspitze der UNO , und die derzeitige Bundesregierung fraà ihm aus der Hand, denn seine Prognosen waren seit Jahren Grundlage der Klimapolitik, die sie vertrat.
SchlieÃlich waren die Ermittlungen ergebnislos eingestellt worden. Ein Unglück mit tragischem Ausgang.
Eisenhut wusste es besser. Aber er hatte keine Beweise für seinen Verdacht. Zwei Fehler waren ihm unterlaufen, zwei dumme Fehler, die ihn alles kosten konnten, was er in den letzten fünfundzwanzig Jahren mühsam aufgebaut hatte. Seit jener
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