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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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zuckte zusammen, als er merkte, dass Ricky mit ihm sprach.
    Â»Den Parcours bauen wir dann schnell morgen auf.« Sie hatte ihre Fassung einigermaßen zurückgewonnen, lächelte verheult und merkte nicht, was mit ihm los war. Mark nickte nur benommen. »Ich muss mit den anderen telefonieren«, sagte Ricky entschlossen und brachte ihre Haare in Ordnung. »Wir müssen besprechen, was wir heute machen, jetzt, wo Ludwig … nicht mehr da ist.«
    Ihre Worte rauschten an ihm vorbei, er konnte nur noch an den roten BH denken, an den Duft ihrer Haut, den Druck ihres warmen Körpers an seinem. Sie legte eine Hand an seine Wange.
    Â»Danke, Mark«, flüsterte sie. »Was würde ich nur machen, wenn ich dich nicht hätte! Wir sehen uns später noch.«
    Sie drückte ihm einen Kuss auf und entschwand. Aufgewühlt starrte er ihr nach, während sich das Motorengeräusch ihres Autos in der Ferne verlor. Sein Mund war brottrocken, sein Gesicht glühte, und er hatte den Ständer des Jahrhunderts. Was war nur los mit ihm? Ricky war doch seine Freundin, seine Begierde ekelte ihn an.
    Wenn ich dich nicht hätte! Mark schaltete seinen iPod wieder ein. Ihm war schwindelig. Er wankte hinüber in den Stall, betrat eine der leeren Pferdeboxen und öffnete seine Hose. Ricky in seinen Armen. Ihr Duft, der noch an seiner Wange haftete. Der rote BH auf ihrer warmen, braunen Haut. Mark schämte sich entsetzlich. Aber er konnte auch nicht aufhören. Seine Knie wurden weich, er lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und spürte eine Welle der Lust heranrasen. Und dann schämte er sich kein bisschen mehr, sondern genoss es.
    *
    Dunkles Holz bis zur hohen, weiß gestrichenen Decke, ein schmaler Teppichläufer auf rötlichen Fliesen, weihevolle Stille in den Büros. Frauke, die sich unter der Rechtsmedizin kalte, sterile Räume und mürrische Ärzte in grünen Kitteln und Gummistiefeln vorgestellt hatte, war verwirrt und gleichzeitig beeindruckt. Schon von außen verströmte die alte Villa zwischen den hohen Bäumen im Nieselregen einen altmodischen Charme, etwas Geheimnisvolles, düster Britisches. Frauke liebte Rosamunde Pilcher, England war ihr Traum, und sehr bald würde sie ihn sich leisten können. Während sie mit ihren Brüdern im Flur wartete, malte sie sich ihre Zukunft aus. Ein kleines Haus sollte es sein, irgendwo in Cornwall. Am Meer. Mit einer Million auf dem Konto müsste sie nie wieder arbeiten. Gregors Handy klingelte. Er ging ein Stück zur Seite und zischelte mit gesenkter Stimme hinein.
    Â»Wie lange dauert das wohl noch?« Matthias neben ihr konsultierte mit wachsender Nervosität seine Uhr. »Erst machen die eine Riesenhektik, und dann lassen sie einen warten. Ich hab um vier einen wichtigen Termin.«
    Das hatte er schon mindestens zehnmal gesagt. Auch sein Handy meldete sich. Frauke stand zwischen ihren telefonierenden Brüdern und gab sich ihren Tagträumen hin. So viele Jahre lang war sie zu schwach und zu bequem gewesen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, aber seit gestern Abend war Schluss damit. Seit gestern war sie die Herrin ihres Lebens. Und das fühlte sich verdammt gut an.
    Die Rückkehr in ihr Elternhaus war die größte Niederlage gewesen, das Eingeständnis ihres Scheiterns. Dann die schlimmen zwei Jahre, in denen sie ihre Mutter gepflegt hatte, bis zu ihrem Tod. Als sie dann plötzlich ohne Aufgabe dagestanden hatte, ohne Ziel und vor allem ohne Einkünfte, hatte Rickys Stellenanzeige in der Königsteiner Woche sie gerettet.
    Sie hatte den Job sofort bekommen. Ihr Vater hatte sie mit Spott übergossen, wie üblich. Da passt du hin, hatte er gehöhnt: der Elefant im Zooladen. Trampeltier. Dickmadam. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie nicht geschwiegen. Böse Worte waren zwischen ihnen gefallen, die sich, einmal ausgesprochen, nicht mehr zurücknehmen ließen. Frauke hatte den Rabenhof noch am selben Abend verlassen und war in die leerstehende Wohnung über dem Tierparadies gezogen.
    Die schwere, hölzerne Eingangstür öffnete sich schwungvoll, Oliver von Bodenstein kam die Stufen hinauf. Als Kinder hatten sie hin und wieder zusammen gespielt, aber das war lange her. Sie hatte ihn als einen dünnen, maulfaulen Teenager in Erinnerung und musste zugeben, dass ihm die Jahre nicht geschadet hatten. Er sah gut aus, sogar verdammt gut.
    Â»Frauke!

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