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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Danke, dass ihr gleich gekommen seid. Mein herzliches Beileid.« Mitgefühl pur in seiner dunklen Stimme und seinem Blick.
    Â»Danke, Oliver. Schrecklich, dass wir uns unter solchen Umständen wiedersehen.« Im letzten Moment unterdrückte sie ein Lächeln, schließlich gehörte sich das nicht, wenn der eigene Vater vor wenigen Stunden ermordet worden war. Bodenstein kondolierte auch ihren Brüdern.
    Â»Kommt bitte mit«, sagte er dann und ging zielstrebig auf eine Tür zu, die in den Keller der Villa führte.
    Â»Was soll das eigentlich?«, protestierte Matthias. »Warum bestellst du uns hierher?«
    Â»Ich habe meine Gründe.« Bodenstein verzog keine Miene. Gregor streifte ihn mit einem verächtlichen Blick.
    Â»Komm schon«, sagte er zu seinem jüngeren Bruder. »Ich will das endlich hinter mich bringen.«
    Wenig später standen sie in einem Raum, der sich schon eher mit Fraukes Vorstellung von Rechtsmedizin und Leichenschauhaus deckte. Ein mulmiges Gefühl befiel sie. Was tat sie hier? War es üblich, dass man sich einen Toten ansehen musste, wenn er schon identifiziert worden war? Sie schauderte, als eine Metallbahre hereingerollt wurde und sie Bodensteins aufmerksamen Blick in ihrem Rücken spürte. Niemand sprach ein Wort. Der Mitarbeiter der Rechtsmedizin – er trug tatsächlich einen grünen Kittel, wenn auch keine Gummistiefel – zog das grüne Tuch, mit dem die Leiche bedeckt war, ein Stück herunter.
    Papa hat kein Gesicht mehr, dachte Frauke. Matthias gab ein würgendes Geräusch von sich und flüchtete in den Flur, nur Gregor blieb ungerührt.
    Â»Halali. Sau tot«, sagte er mit Befriedigung in der Stimme, und das war das Letzte, an das Frauke sich später erinnerte, denn als sie der im Tode erstarrte Blick aus dem Auge ihres Vaters traf, das sich nicht mehr in der Augenhöhle, sondern irgendwo in der Nähe seines Ohrs befand, wurde sie ohnmächtig.
    *
    Nika saß am Küchentisch, neben sich eine Tasse Hagebuttentee, und überflog das Gutachten, das die Firma EuroWind im Jahr 2002 im Auftrag des Landes Hessen erstellt hatte, um das Windpotential und die Windgeschwindigkeiten auf dem Bergrücken oberhalb von Ehlhalten zu analysieren. Es war nicht schwer zu erkennen, dass die beiden von der WindPro in Auftrag gegebenen Gutachten auf völlig anderen Zahlen basierten als die drei übrigen. Jannis hatte recht: Die Experten vom Deutschen Klima-Institut und von der University of Wales hatten ihre Empfehlungen offensichtlich aufgrund falscher Zahlen ausgesprochen. Woher stammten die Messdaten? Wer hatte die Berechnungen angestellt, oder war alles einfach aus der Luft gegriffen? Und woher hatte Jannis überhaupt diese Gutachten? Nika fischte den Teebeutel aus der Tasse, drückte ihn aus und legte ihn auf die Untertasse. Ihre Gedanken schweiften ab. Sie nippte an ihrem Tee und dachte an das bohrende Gefühl der Einsamkeit, das sie gestern Nacht überfallen hatte. War sie dazu verurteilt, ihr ganzes Leben allein zu bleiben? Sie hielt inne. Woher kam auf einmal diese Sehnsucht, diese Leere in ihrem Innern? Früher hatte es ihr doch auch nichts ausgemacht.
    Nika zuckte zusammen, als es an der Haustür klingelte. Eilig schob sie die Papiere zur Seite, legte die Zeitung darüber und stand auf. Es klingelte wieder. Nach kurzem Zögern öffnete sie.
    Â»Ja, bitte?«
    Vor ihr standen ein Mann und eine blonde Frau, die ihr einen grünen Ausweis entgegenhielt. Polizei! Nika erschrak. Sie verschränkte rasch die Arme vor der Brust, um ihr Zittern zu verbergen.
    Â»Kriminalpolizei.« Die Frau klang nicht besonders freundlich. »Wir möchten zu Herrn Theodorakis.«
    Â»Der ist nicht zu Hause«, erwiderte Nika schnell.
    Â»Wo könnte er sein? Wann kommt er wieder?«
    Â»Ich weiß es nicht.«
    Â»Wer sind Sie? Wohnen Sie hier?«
    Â»N… nein. Ich bin nur … die Putzfrau.«
    Ãœberrascht und erschrocken wie sie war, gab sie die erstbeste Antwort, die ihr einfiel. Angesichts ihrer Klamotten schienen die beiden nicht an ihrer Aussage zu zweifeln.
    Â»Wissen Sie, wo wir Herrn Theodorakis erreichen können?«, fragte der Mann. Er lächelte nett, aber davon ließ sie sich nicht täuschen. Manche Bullen konnten sich ziemlich gut verstellen.
    Â»Ich denke mal, er ist auf der Arbeit«, sagte sie und zuckte die Schultern. »Eine Handynummer hab ich

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