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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Arbeitsgericht einem Arbeitgeber recht gab, musste sich der Arbeitnehmer schwerwiegende Verfehlungen geleistet haben, das war allgemein bekannt. Theissen erteilte Theodorakis mit einer auffordernden Handbewegung großzügig das Wort und setzte sich wieder.
    Es dauerte eine Weile, bis die Unruhe nachließ.
    Â»Wir möchten Ihnen trotzdem einige Fakten nennen«, sagte Jannis Theodorakis scheinbar ungerührt, obwohl er innerlich kochen musste. »Sie dürfen gerne selbst entscheiden, was Sie wem glauben wollen und was nicht.«
    Geschickt gekontert, dachte Bodenstein und war nun selbst gespannt, was die Bürgerinitiative in petto hatte. Theodorakis begann aufzuzählen, welcher Verfehlungen er Stadt, Kreis, Umweltministerium und Projektgesellschaft bezichtigte.
    Â»Falsch«, sagte Theissen nach jedem Satz lakonisch. Es war totenstill im Saal, man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
    Â»Würden Sie jetzt bitte mal den Mund halten?«, fuhr Theodorakis ihn nach der dritten oder vierten Unterbrechung ungehalten an.
    Â»Halten Sie besser den Mund«, warnte Theissen ihn und lächelte dabei nachsichtig. »Sie reden sich gerade in aller Öffentlichkeit um Kopf und Kragen. Aber Sie sind ja an Niederlagen gewöhnt.«
    Theodorakis lachte nur und zuckte die Schultern.
    Â»Solche persönlichen Attacken sind doch unter Ihrem Niveau, Herr Doktor«, sagte er gelassen. »Ich stehe hier als Sprecher von Bürgerinnen und Bürgern, die gemeinsam ein Projekt verhindern wollen, das unsinnig ist und nur die Kasse der WindPro füllt. Wenn Sie versuchen, mich hier zu diskreditieren – bitte schön. Alles, was ich heute Abend sage, kann man ohnehin später auf unserer Webseite nachlesen, also geben Sie sich keine Mühe.«
    Theissen wollte etwas erwidern, aber Theodorakis sprach einfach weiter.
    Â»Und um uns heute Abend vor vollendete Tatsachen zu stellen«, sagte er und deutete mit dem Zeigefinger erst auf Theissen, dann auf den Bürgermeister, »haben die WindPro und die Stadt eine Rodungsfirma beauftragt, die entgegen aller Absprachen bereits am Montagmorgen heimlich damit beginnen wollte, das vorgesehene Areal zu roden! So können Sie diesen beiden geldgeilen Lügnern trauen!«
    Das ließen weder der Bürgermeister noch Theissen auf sich sitzen. In das nun folgende heftige Wortgefecht mischte sich das Publikum mit schrillen Pfiffen und Buhrufen ein. An eine vernünftige Moderation der Podiumsdiskussion war nicht mehr zu denken. Plötzlich kam von irgendwoher eine Tomate geflogen und zerplatzte an der Schulter des Bürgermeisters.
    Bodenstein griff zu seinem Handy und wählte Cem Altunays Nummer.
    Â»Kommt nach unten«, befahl er. »Und ruft Verstärkung! Sagt den Ordnern, dass sie die Notausgänge öffnen sollen! Sofort!«
    Â»Lügner! Lügner!«, skandierten ein paar junge Leute.
    Â»Ruhe!«, rief Theodorakis’ Mitstreiter, der sich bisher ganz aus der Diskussion herausgehalten hatte, beschwichtigend in sein Mikrophon. »Bleibt doch ruhig! Ruhe!«
    Â»Lügner! Lügner!«, grölten die Jugendlichen, rohe Eier und weitere Tomaten trafen den Bürgermeister, Theissen und auch Theodorakis, der sich aber nichts daraus zu machen schien. Die stumme Frau Doktor ging unter dem Tisch in Deckung.
    Â»Das muss ich mir nicht gefallen lassen!«, brüllte der Bürgermeister mit hochrotem Gesicht und knallte sein Mikrophon auf den Tisch. Das ohrenbetäubende Pfeifen der Rückkopplung übertönte die Stimmen von Theodorakis und Theissen, das Publikum buhte noch lauter, als Herzinger vom Podium sprang und auf den Mittelgang zusteuerte. Leute standen auf, drängten ebenfalls Richtung Gang. Bodenstein dachte besorgt an seine Eltern, die irgendwo im vorderen Teil des Saales saßen. Von irgendwoher kam eine Tomate geflogen und traf den Rathauschef mitten im Gesicht, woraufhin der sich wutentbrannt durch die Reihe zu dem Werfer drängte. Bodenstein sah ungläubig, wie der Bürgermeister dem Tomatenwerfer eine Ohrfeige verpasste, bevor ihn jemand daran hindern konnte. Im Nu war eine Schlägerei im Gange, der die Menschen in den engen Stuhlreihen nicht ausweichen konnten. Chaos brach aus.
    Â»Ist der bescheuert?« Pia stieß sich von der Wand ab. »Der muss hier raus, die machen sonst Hackfleisch aus ihm.«
    Â»Bleib hier!« Bodenstein wollte Pia festhalten, aber die Umstehenden

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