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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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drängten ihn von ihr weg. In der nächsten Sekunde verlor er sie aus den Augen. Ein halber Gemüseladen prasselte unter lautem Gejohle auf den Bürgermeister nieder, der schützend die Hände über den Kopf hielt. Der Boden verwandelte sich in eine Rutschbahn, aneinandergeschraubte Stuhlreihen kippten um, die Leute stolperten, schrien durcheinander, fingen an zu rennen, glitten aus und stürzten.
    Â»Hilfe!«, kreischte eine Frau. »Ich will hier raus!«
    Ein Tumult brach los. In einer Welle drängten Menschen mit panisch verzerrten Gesichtern auf den Ausgang zu, Stühle flogen, der Saal hatte sich in einen Hexenkessel verwandelt. Bodenstein fühlte sich unsanft gegen die Wand gepresst, für einen Moment blieb ihm die Luft weg. Er hielt verzweifelt Ausschau nach Pia und versuchte gleichzeitig, die Sorge um seine Eltern zu verdrängen. Wenn sie vernünftig waren, blieben sie einfach dort, wo sie waren.
    *
    Â»Tu doch was!« Klaus Faulhaber packte Jannis am Arm. »Die drehen ja durch! Das gibt ein Unglück!«
    Â»Was soll ich denn tun?« Jannis zuckte die Schultern und grinste. »Der Idiot lässt sich von so ein paar Krakeelern provozieren. Selbst schuld.«
    Im hinteren Teil des Saales war ein Tumult ausgebrochen, hunderte Menschen wollten hinaus, aber nur eine Hälfte der Doppeltür war geöffnet.
    Â»Ach du Scheiße«, sagte Jannis betroffen, als er begriff, dass die wenigen Saalordner nichts mehr unter Kontrolle hatten. Neben ihm erwachte die Frau vom Ministerium zum Leben, sie sprang auf, stolperte über die Treppe von der Bühne und öffnete den Notausgang. Theissen folgte ihr wie ein geölter Blitz und verschwand in der Dunkelheit. Bisher hatten die Leute in den vorderen Reihen wie gelähmt auf ihren Stühlen gesessen, aber nun standen auch sie auf und drängten auf die geöffnete Tür zu, allerdings erheblich disziplinierter als die hysterische Menge im hinteren Teil des großen Saales.
    Jannis erblickte die blonde Polizistin, die den Bürgermeister hinter sich her in Richtung Notausgang schleifte. Er musste verschwinden, bevor sie mit dem Bürgermeister die Tür erreicht hatte. Auf ein Verhör hatte er keinen Bock, er hatte Wichtigeres zu erledigen. Ricky und Nika konnte er nirgendwo sehen, aber die würden schon irgendwie hier rauskommen. Kurz entschlossen schnappte er seinen Aktenordner und gab Fersengeld. Wenige Sekunden später war er draußen und kramte in der Jackentasche nach seinem Autoschlüssel.
    Â»Theodorakis!«
    Die Stimme ließ ihn herumfahren. Vor ihm stand wie aus dem Erdboden gewachsen Stefan Theissen. Noch berauscht vom Hochgefühl seines Erfolges fühlte Jannis sich unantastbar.
    Â»Ich habe jetzt keine Zeit«, sagte er von oben herab und wollte an ihm vorbeigehen.
    Â»O doch, Sie haben Zeit.« Theissen war richtig sauer. Mit ihm war nicht zu spaßen, das wusste Jannis. Er versuchte wegzulaufen, aber da hatte Theissen ihn schon an der Schulter gepackt.
    Â»Ich hab die Schnauze voll von dir, du kleiner Mistkerl«, knirschte sein ehemaliger Chef und versetzte ihm einen heftigen Stoß. Jannis taumelte gegen ein geparktes Auto.
    Â»He!« Ihm wurde mulmig. »Was soll das?«
    Â»Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«, zischte Theissen. Mit beiden Händen stieß er Jannis gegen die Brust. »Ich lasse mir von einem neidischen Versager wie dir nicht meine Firma und meinen guten Ruf ruinieren!«
    Jannis wich vor Theissen zurück, Angst stieg in ihm empor. Er hatte dessen Zorn eindeutig unterschätzt.
    Â»Dieser Auftritt heute Abend wird für dich Konsequenzen haben, das verspreche ich dir!«, sagte Theissen mit bedrohlich gesenkter Stimme. »Du hast wohl vergessen, was du unterschrieben hast, als du die Abfindung kassiert hast. Ich werde dich vor den Kadi bringen! Ich mach dich fertig, bis du nicht mehr weißt, wie du heißt!«
    Theissen sah aus wie ein Irrer, der zu allem entschlossen war.
    Â»Ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern!«, behauptete Jannis, obwohl er sich vor Angst fast in die Hose machte. »Ich sage nur die Wahrheit!«
    Â»Einen Dreck tust du.« Theissen ergriff unsanft seinen Arm und bog ihn brutal nach hinten. Mit Blaulicht und Sirenengeheul näherten sich über den großen Parkplatz Feuerwehr, Polizei und Notarztwagen. Jannis wurde bewusst, dass in diesem Durcheinander noch nicht einmal jemand

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