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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Druck?«
    Matthias senkte den Blick, sein Bruder zuckte nur die Schultern.
    Â»Warum soll ich Ihnen ein Märchen erzählen? Ja. Man hat uns eine Frist gesetzt«, gab er zu. »Es geht um sehr viel Geld, das meine Geschwister und ich gut gebrauchen können.«
    Â»Da kommt Ihnen der Tod Ihres Vaters nicht ungelegen«, bemerkte Pia.
    Gregor Hirtreiter hob die Augenbrauen.
    Â»Unser Vater«, sagte er, »war ein sturer, uneinsichtiger Egoist, dem das Wohl von irgendwelchem Getier wichtiger war als das seiner Kinder und Enkelkinder. Diese Wiese war ihm völlig egal, er hat sie nur nicht an die WindPro verkauft, um uns zu gängeln. Das war so seine Art. Er war ein Widerling. Überheblich, sadistisch, gemein. Ich weine ihm keine Träne nach, aber umgebracht habe ich ihn nicht.«
    Â»Wer war es dann?«
    Â»Das halbe Dorf hatte Gründe«, erwiderte er. »Unser Vater hat mit Genuss Ehen und Existenzen ruiniert, weil er sich dazu berufen fühlte, die moralische Instanz zu spielen.«
    Â»Interessant. Haben Sie irgendwelche Namen für mich?«
    Â»Schlagen Sie das Telefonbuch auf, und Sie haben die Namen. Von A bis Z«, sagte Matthias Hirtreiter spöttisch.
    Â»Dann fangen wir mit Ihnen an«, schlug Pia vor. »Wo waren Sie an dem Abend, an dem Ihr Vater erschossen wurde?«
    Â»Ich habe lange gearbeitet«, antwortete Matthias Hirtreiter. »Später war ich noch eine Kleinigkeit essen, im Le Journal in Königstein.«
    Â»Bis wann waren Sie dort? Wer kann das bezeugen?«
    Â»Ich war da, bis geschlossen wurde. Das war so gegen eins, halb zwei. Die Chefin kann das ganz sicher bestätigen, mit ihr habe ich noch einen Wein getrunken, nachdem die letzten Gäste gegangen waren.«
    Â»Hm. Und Sie?« Pia sah den älteren Bruder an.
    Â»Wir waren an dem Abend bei meinen Schwiegereltern. Mein Schwiegervater feierte ganz groß seinen 65 . Geburtstag.«
    Â»Wo? Und wie lange waren Sie dort?«
    Â»Bei sich zu Hause. In Heftrich. Wir waren gegen sieben da und sind weit nach Mitternacht zurückgefahren.«
    Heftrich lag keine zehn Minuten von Ehlhalten entfernt. Bei einer Geburtstagsfeier würde es kaum jemand bemerken, wenn ein Gast für ein Stündchen fehlte. Pia notierte sich Name und Adresse von Gregor Hirtreiters Schwiegereltern.
    Â»Wo ist Ihre Schwester? Weiß sie, was Sie hier tun?«, fragte sie.
    Â»Wir wollten es ihr sagen, aber sie ist nicht ans Telefon gegangen«, sagte Matthias Hirtreiter. »Und ein Handy hat sie ja nicht.«
    Â»Aha. Wie sind Sie überhaupt hier ins Haus gekommen?«
    Wieder wechselten die Brüder einen Blick.
    Â»Es gibt eine Art Hintereingang«, gab Gregor Hirtreiter widerwillig zu.
    Pia folgte ihm den dunklen Flur entlang. Plötzlich stutzte sie.
    Â»Was ist das denn?«
    Sie schaltete das Licht ein. Gregor Hirtreiter drehte sich um. Das Treppengeländer der Holztreppe, die ins Dachgeschoss führte, war zerbrochen, überall flogen metallisch glänzende schwarze Federn herum. Pia ging in die Hocke.
    Â»Das ist Blut«, stellte sie fest und wies auf den Rahmen der Schlafzimmertür. »Und hier auch.«
    Sie nestelte ein paar Latexhandschuhe aus der Jackentasche, streifte sie über und stippte mit dem Zeigefinger in einen der dunklen Tropfen.
    Eindeutig Blut. Nicht mehr ganz frisch, aber auch noch nicht eingetrocknet.
    Â»Ist Ihnen das nicht aufgefallen, als Sie hier entlanggekommen sind?«
    Â»Nein«, gab Hirtreiter zu. Sein Bruder tauchte hinter Pia im Flur auf.
    Â»Was ist da oben?«, wollte sie wissen.
    Â»Ein Gästezimmer. Unsere alten Kinderzimmer. Und der Speicher.«
    Â»Sie warten hier«, sagte Pia zu den Brüdern. »Ich sehe mich mal oben um.«
    Vorsichtig stieg sie die Treppe hinauf und fand sich unversehens in den 70 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder: Zwei der drei Kinderzimmer und das Gästezimmer hatten Dachschrägen, waren mit Kiefernholz verkleidet und komplett eingerichtet, an den Wänden hingen sogar noch vergilbte Poster von Popgruppen, deren Mitglieder mittlerweile im Altersheim sein mussten, wenn sie nicht vorher an ihren Drogenexzessen gestorben waren. Auf den Möbeln lag der Staub von Jahrzehnten. Auch das winzige Badezimmer war im feinsten 70 er-Jahre-Stil konserviert: beige Blümchenfliesen, Klo, Badewanne und Waschbecken aus braunem Porzellan. Nur ein Zimmer war irgendwann renoviert worden. Statt Holz und

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