Wer Wind sät
die Uhrzeiten, die sie angegeben haben, stimmen nicht. Matthias Hirtreiter hat sein Büro um zwanzig nach sechs verlassen und ist danach nicht mehr dort aufgetaucht, das hat mir sein Buchhalter gesagt, der an dem Abend bis 22 : 30 Uhr da war, zusammen mit dem Steuerberater. Sie haben auf Matthias gewartet, aber er kam nicht mehr. Im Journal in Königstein war er auch bis um halb zwei, allerdings ist er erst um Viertel vor zwölf dort aufgetaucht. Es fehlen volle fünfeinhalb Stunden, für die er überhaupt kein Alibi hat.«
»Und Bruder Nummer zwei?«
»Ich habe etwas herumtelefoniert, unter anderem mit Kollege Bradl vom Königsteiner Revier. Der war auf der Party von Hirtreiters Schwiegervater und ist zufällig genau in dem Moment gekommen, als Gregor Hirtreiter in sein Auto stieg und wegfuhr. Angeblich, um Zigaretten zu holen. Dabei raucht er gar nicht.«
»Wie kommst du denn darauf, einen Königsteiner Kollegen anzurufen?« Ostermann schüttelte ungläubig den Kopf. Pia grinste und tippte sich gegen die Stirn.
»Ganz einfach«, erwiderte sie, »als mir Gregor Hirtreiter sagte, sein Schwiegervater heiÃe Erwin Schmittmann und habe in der Halle seiner Firma gefeiert, da hat es bei mir klick gemacht. Ihm gehört der Landhandel in Heftrich, bei dem ich Pferdefutter, Sägespäne und so weiter hole. Dabei habe ich schon ein paar Mal Kollege Bradl getroffen, und wie das so ist, man schwätzt ein bisschen. Irgendwann hat er mir mal erzählt, dass er der Nachbar von Schmittmann sei und ihm seit Jahren bei der Heuernte und in seiner Freizeit auch mal im Lager helfe. Ich hab mir also gedacht, dass er sicher zum 65 . von seinem Spezi eingeladen gewesen war. Und genauso warâs.«
»Unfassbar«, staunte Cem Altunay. Die anderen waren ebenfalls beeindruckt.
»Ein Sternchen für Frau Kirchhoff«, grinste Ostermann. »Sensationell, Pia. Er hat nicht zufällig auch noch gesehen, wann Hirtreiter zurückkam?«
»Doch.« Pia lehnte sich zurück und lächelte hochzufrieden. »Genau um zehn Minuten vor Mitternacht. Ohne Zigaretten. Dafür aber mit anderen Klamotten.«
»Motiv, Mittel, Gelegenheit â alles da!«, begeisterte sich Ostermann. »Das sollte für einen Durchsuchungsbeschluss reichen. Was meinst du, Chef?«
Bodenstein meinte nichts dazu. Er tippte mit konzentrierter Miene auf seinem neuen iPhone herum, in das er ganz vernarrt war. Erst als ihm auffiel, dass niemand mehr etwas sagte, blickte er auf.
»Was soll der bringen?«, fragte er und zeigte damit, dass er dem Gespräch gefolgt war. »Wenn es die Brüder waren, haben sie die Tatwaffe bestimmt nicht mit nach Hause genommen. Ihr sprecht jetzt mit den Hirtreiters. Sollten sie keine absolut wasserdichte Erklärung haben, wo sie wirklich an dem Abend gewesen sind, beantragen wir Haftbefehle.«
»Willst du nicht dabei sein?«, erkundigte sich Pia.
»Ich fahre nach Königstein und erkundige mich in dem Zooladen nach Frauke Hirtreiter«, sagte er und übersah geflissentlich das kurze Hochschnellen von Pias Augenbrauen. »Schreibt sie und ihr Auto zur Fahndung aus. Ruft mich an, wenn irgendetwas ist. Sonst sehen wir uns morgen früh.«
*
Es war kurz vor fünf, als Bodenstein das Tierparadies in der KirchstraÃe betrat. Eine volle Viertelstunde hatte er im Auto gesessen und mit sich gekämpft.
Würde Nika merken, dass die Frage nach Frauke Hirtreiter nur ein Vorwand war? Selbst wenn, es konnte ihm egal sein. Er wollte sie unbedingt sehen, obwohl er sich vor der Begegnung ein wenig fürchtete. Was dachte sie wohl von ihm, nachdem er sich ihr gestern wie ein jämmerliches Häufchen Elend präsentiert hatte? Bodenstein legte groÃen Wert darauf, stets Herr der Lage zu sein, doch das war er gestern ganz sicher nicht gewesen. Nika war unauslöschlich mit den Erinnerungen an dieses grässliche Erlebnis verbunden, er musste einfach noch einmal mit ihr reden und Klarheit in seine verwirrten Gefühle bringen. Vielleicht gaukelte ihm sein Unterbewusstsein nur etwas vor, aus Dankbarkeit oder aus welchem Grund auch immer.
Vor der gläsernen Eingangstür holte Bodenstein tief Luft und trat ein. Die Ladenglocke bimmelte, Sekunden später tauchte Nika hinter dem Verkaufstresen auf. Ein erfreutes Lächeln flog über ihr Gesicht, und er wusste, dass er sich nichts eingebildet hatte. Da war etwas zwischen ihnen,
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