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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Fernsehen das alles beherrschende Thema und hatte es mit der grausigen Bilanz von einer Toten und vierundvierzig Verletzten sogar in die Schlagzeilen der Tageszeitungen geschafft. Sie selbst, Cem und Kathrin waren mit dem Schrecken davongekommen, Bodenstein hingegen hatte die Massenpanik am eigenen Leib erfahren. So etwas hinterließ Spuren.
    Sie betrat sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Ein rascher Blick auf das Gesicht ihres Chefs bestätigte ihre Befürchtungen, denn er sah ziemlich mitgenommen aus. Blass, mit Rändern unter den Augen, allerdings wie immer korrekt gekleidet, in Anzug mit Krawatte.
    Â»Mein Vater hatte erst kürzlich von Hirtreiter einen Briefumschlag zur Aufbewahrung bekommen«, verkündete er ihr und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. »Den sollte er im Falle von Hirtreiters Tod dessen Notar übergeben.«
    Â»Sein Testament?«, fragte Pia neugierig.
    Â»Möglich.«
    Â»Wie?« Pia blickte ihn ungläubig an. »Ihr habt nicht mal reingeschaut?«
    Â»Du hast doch sicher schon mal vom Briefgeheimnis gehört, oder?«, entgegnete Bodenstein und hob die Augenbrauen. »Außerdem war der Brief versiegelt, ganz altmodisch, mit Siegellack.«
    Sein Telefon klingelte. Er seufzte und nahm ab.
    Â»Ach, Professor Kronlage. Guten Morgen.«
    Bodenstein bedeutete Pia näher zu kommen und drückte die Lautsprechertaste.
    Â»Hallo, Tommy«, sagte sie zu Prof. Thomas Kronlage, Hennings Chef.
    Â»Hallo, Pia«, erwiderte der Leiter der Frankfurter Rechtsmedizin. »Geht’s gut?«
    Â»Ja, danke der Nachfrage. Ich hoffe, dir auch.«
    Â»So weit, so gut. Also: Der Todeszeitpunkt lässt sich relativ genau eingrenzen, der Tod ist etwa zwischen 23 : 00 und 0 : 00 Uhr eingetreten. Letztendlich war der Schuss ins Gesicht todesursächlich.«
    Â»Kannst du sagen, in welcher Reihenfolge die Schüsse abgegeben wurden?«, wollte Pia wissen. »Zuerst der Schuss ins Gesicht oder der in den Unterleib?«
    Â»Ich vermute Letzteres«, antwortete Kronlage. »Dafür spricht die Tatsache, dass er sehr viel Blut verloren hatte. Der Schuss in den Unterleib hat die Arteria iliaca interna und die Arteria iliaca externa zerrissen. Interessant sind auch die Prellungen, die er am vorderen Oberkörperbereich und den Oberarmen davongetragen hat und die zu Rippenbrüchen geführt haben.«
    Pia wechselte einen Blick mit ihrem Chef.
    Â»Prellungen?«
    Â»Sie könnten von Schlägen oder Tritten verursacht worden sein, oder von einem stumpfen Gegenstand wie einem Gewehrkolben. Jemand muss mit erheblicher Wucht zugeschlagen oder zugetreten haben, denn Rippen brechen nicht so leicht.«
    Â»Ante- oder postmortal?«
    Â»Schwer zu sagen. Ganz kurz vor seinem Tod, oder gleich danach.«
    Ein Gewaltexzess? Das sprach für heftige Emotionen.
    Â»Der Mörder muss ziemlich kräftig gewesen sein«, sagte Kronlage.
    Â»Oder zornig«, entgegnete Pia und dachte an Theodorakis, der von seinem ehemaligen Chef als Choleriker charakterisiert worden war.
    Â»Oder auch das, ja. Zorn verleiht Kräfte.«
    Â»Hatte er Abwehrverletzungen?«, erkundigte Bodenstein sich.
    Â»Nein. Keine. Wir haben geringfügige Spuren von Tierfraß und tierische DNA am Gesicht und am Becken des Toten festgestellt. Er war zum Zeitpunkt seines Todes alkoholisiert; 1 , 3 Promille betrug der Blutalkoholspiegel heute Morgen, also dürften es in der Nacht zu Mittwoch gut 1 , 7 gewesen sein.«
    Â»Danke, Herr Professor«, sagte Bodenstein. »Damit sind wir ein gutes Stück weiter.«
    Â»Kein Problem«, antwortete Kronlage. »Ich habe meinen Job gemacht, jetzt sind Sie dran. Ach, Pia?«
    Â»Ja?«
    Â»Henning kam gestern ins Institut, sagte, er bräuchte kurzfristig ein paar Tage Urlaub, und verschwand. Deshalb habe ich auch heute die Sektion durchgeführt. Weißt du, was mit ihm los ist?«
    Â»Ich denke ja«, erwiderte Pia, die ahnte, wohin Henning so überstürzt gereist war. »Er ist auf dem Weg nach Canossa.«
    *
    Morgens waren ein paar Kunden da gewesen, darunter Mitglieder der Bürgerinitiative. Natürlich waren das Drama in der Dattenbachhalle und Ludwigs Tod die Hauptgesprächsthemen. Frauke war nicht aufgetaucht, ihr Auto stand auch nicht im Hof. Wahrscheinlich kümmerte sie sich um die Beerdigung und den Nachlass ihres Vaters, deshalb hatte Nika alle Termine des Hundesalons telefonisch

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