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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Teppich gab es einen Laminatboden und an den Wänden weiße Raufaser. Pia ging weiter. Die offene Tür zum Speicherraum am Ende des Flurs war mit einem Holzkeil fixiert. Die Dachluke stand ebenfalls offen, schwarze Federn stoben über den Dielenboden, der unterhalb des Fensters mit Vogelkot bedeckt war. Auf diesem Weg hatte offenbar der zahme Rabe von Ludwig Hirtreiter kommen und gehen können. Die Vorstellung, dass ein Vogel dieser Größe frei durchs Haus flatterte, war befremdlich, aber eine Erklärung für die Spuren am Fuß der Treppe. Der Rabe war im Haus gewesen. Es musste einen Kampf gegeben haben, und Pia ahnte, wen der Rabe angegriffen hatte. Auf dem Weg nach unten zog sie ihr Handy heraus und tippte die Kurzwahl von Kröger, der sich sofort meldete.
    Â»Christian, ich brauche dich«, sagte Pia. »Sofort.«
    Â»Hach, seit Jahren träume ich davon, dass du das zu mir sagst«, entgegnete ihr Kollege erstaunlich gut gelaunt. »Ich fürchte allerdings, du meinst es nur dienstlich …«
    Â»Du fürchtest zu Recht«, antwortete Pia trocken. »Ich bin auf dem Rabenhof in Ehlhalten. Hier ist alles voller Blut. Ich warte hier. Ach ja, und schick bitte eine Streife zu Frauke Hirtreiter in die Kirchstraße in Königstein.«
    Sorgfältig darauf bedacht, keine Spuren zu zerstören, stieg sie zu Gregor Hirtreiter hinunter, der gehorsam am Fuß der Treppe gewartet hatte, und folgte ihm und seinem Bruder durch eine Milchglastür in einen kleinen, düsteren Raum, der bis zur Decke gefliest war.
    Â»Hier sind wir reingekommen.« Gregor wies mit einem Kopfnicken auf die rostige Tür. »War nicht abgeschlossen.«
    Â»Wann war das?« Pia nahm die Tür und den Boden des kleinen Raumes in Augenschein. Sie bemerkte Blutstropfen auf den gelblichen Bodenfliesen.
    Â»Weiß nicht genau. Vor zwei Stunden ungefähr.«
    Â»Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrer Schwester gesprochen?«
    Â»Keine Ahnung. Gestern irgendwann.«
    Â»Kann es sein, dass sie in der Zwischenzeit hier gewesen ist?«
    Â»Möglich.« Gregor Hirtreiter nickte grimmig. »Zutrauen würd ich’s ihr.«
    Sie traten aus der Tür in einen verwilderten Garten. Pia sah sich um. Eine randvolle Regentonne, daneben ein rostiges Rosengitter, das an der Hauswand lehnte. Fliederbüsche in voller Blüte verströmten ihren schweren Duft. Im Gras ein Trampelpfad, der zum Hof führte.
    Â»So«, sagte sie entschlossen. »Ich möchte Sie beide bitten, mich aufs Kommissariat zu begleiten.«
    Â»Jetzt? Das soll doch wohl ein Witz sein«, begehrte Gregor Hirtreiter auf.
    Â»Ich mache selten Witze, wenn es um so ein ernstes Thema geht«, entgegnete Pia kühl. »Es gibt im Zusammenhang mit dem Mord an Ihrem Vater noch einige Fragen, auf die ich bisher keine zufriedenstellenden Antworten bekommen habe.«
    Â»Ich habe aber noch Termine …«, protestierte Matthias Hirtreiter.
    Â»Dann sollten Sie Ihre Zeit nicht damit vergeuden, amtlich versiegelte Wohnungen zu durchwühlen«, schnitt Pia ihm das Wort ab. »Gehen wir.«
    *
    Verstärkt durch Kollegen aus anderen Dezernaten hatten Cem Altunay und Kathrin Fachinger den Vormittag damit verbracht, mit sämtlichen Vorstandsmitgliedern der Bürgerinitiative zu sprechen. Jeder von ihnen bestätigte, was der Wirt der Krone Pia erzählt hatte. Jannis und Ludwig Hirtreiter waren sich am Dienstagabend mächtig in die Haare geraten. Schon am Montag hatte Jannis Ärger mit Hirtreiter gehabt, weil er auf eigene Faust den Drehtermin mit dem HR vorverlegt und Hirtreiter damit umgangen hatte. Der heftige Streit am Dienstag war entstanden, weil Theodorakis den anderen Vorstandsmitgliedern verraten hatte, wie hoch das Kaufangebot der WindPro für Hirtreiters Wiese war. Das hatte dieser seinen Freunden nämlich bis dahin verschwiegen.
    Â»Sie hatten mit fünfzig- oder sechzigtausend Euro gerechnet, aber nicht mit drei Millionen«, sagte Cem. »Und da wollte niemand mehr Hirtreiters Beteuerungen glauben, er würde die Wiese nicht verkaufen. Ihm wurde das Vertrauen entzogen, und man entschied, Theodorakis aufs Podium zu schicken.«
    Hirtreiters despotischer Führungsstil hatte ohnehin niemandem gefallen. Andere Meinungen hatte er nicht gelten lassen, war oft verletzend geworden, besonders den weiblichen Mitgliedern gegenüber.
    Zweifellos war Ludwig Hirtreiter der

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