Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
ihn stürzte, ihm das Gesicht abriss und es ihm in die Hose stopfte, holte er tief Luft (er musste nicht mehr atmen, aber … alte Gewohnheiten) und fuhr fort: »Und wenn Laura ihr Schicksal ablehnen kann und die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, dann kannst du das möglicherweise auch. Vielleicht wird dieses Chaos der Zukunft dann nicht mehr dein Eingreifen erfordern; vielleicht kann sich dann ein anderer damit befassen.«
»Vielleicht könnte sich tatsächlich jemand anderer mit der Zukunft befassen«, sagte ich mit dünnem Stimmchen, dann leerte ich mein Glas in einem gewaltigen Zug und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Vampire werden zwar nicht von plötzlichem Kältekopfschmerz befallen, aber immerhin hielt mich der Schock davon ab, vor allen meinen Freunden wie ein riesiges blondes Baby in Tränen auszubrechen. »Und trag mir das nicht nach, okay?«
»Ich trag dir gar nichts nach«, tröstete Marc mich. Er kam um den Tisch herum und legte seine kalten Zombiehände auf meine Schultern. »Ich stelle nur sämtliche deiner moralischen und rechtlichen Entscheidungen der letzten Jahre infrage.«
»Also trägst du mir doch einiges nach!«, sagte ich empört, und Jessica musste so lachen, dass sie Smoothie über ihr Kinn und ihr heißes pinkes T-Shirt verschüttete.
»Du bist still!«, motzte ich sie an, doch sie fuhr fort, zu lachen und zu prusten und Smoothie zu versprühen. Schließlich stand ich auf und reichte ihr ungefähr achtzig Servietten, bevor sie sich noch die Hose ruinierte.
34
Wir hatten unsere Gläser geleert, und die Spannung hatte sich weitgehend gelegt, als Sinclair urplötzlich den Entschluss fasste, ein anderes Reizthema zur Sprache zu bringen und die friedliche Stimmung zunichtezumachen.
»Mein Herz, warum beharrst du so sehr darauf, dass du nicht die Fähigkeit besitzt, uns zu regieren?«
»Ähm … weil ich’s nicht kann?« Sinclair war normalerweise klüger. Und nackter. Halt! Woher kam denn jetzt dieser Gedanke? Ich musste wirklich dringend, dringend wieder mit ihm schlafen. Das wurde ja allmählich lächerlich. Fast eine ganze Woche ohne Sex! Mann!
»Er hat recht. Deine Erfolgsbilanz ist gar nicht so schlecht«, meinte Jessica, die wohl glaubte, mich damit trösten zu können.
»Meine Erfolgsbilanz ist scheiße.«
»Nei-hein.«
»Do-hoch.«
»Du hast doch den Geist von dem armen Mädchen freigelassen, das so viele Jahrzehnte gelitten hatte?«
Ich entsann mich der Kleinen recht gut. Gott, sie hatte mich zu Tode erschreckt. Vorher hatte ich nicht gewusst, dass ich die Toten sehen konnte … die wahren Toten, die Geister. Ich hatte furchtbare Angst vor ihr gehabt. Aber sie, diese Kleine … sie war nur traurig gewesen.
»Und dann hast du den Serienmörder beseitigt …«
»Das war Laura«, entgegnete ich. »Ich habe nur neben seinem letzten Opfer in der Ecke gekauert. Und wir, das könnt ihr mir glauben, haben uns den Kopf darüber zerbrochen, was nur in unserem Leben schiefgelaufen ist. Laura war diejenige, die aktiv geworden ist.« Und wie. Ich hatte mich fast erbrechen müssen, als ich gesehen hatte, was sie von ihm übrig gelassen hatte. Aber ja, natürlich, ein Serienmörder … der hätte schließlich mit so was rechnen müssen, oder?
Niemand rechnete jemals mit so etwas.
»… und du hattest herausbekommen, dass die böse alte Bibliothekarin Sinclair entführt hatte …«
»Okay, diese Lorbeeren hefte ich mir an«, räumte ich ein. »Mitten in meiner Suche nach dem perfekten Hochzeitskleid und einem Partyservice habe ich begriffen, wer meinen König entführt hatte, und nachdem ich endlich einen Partyservice gefunden hatte, konnte ich sie töten.«
»Wofür ich dir sehr dankbar war, meine Königin.« Sinclair verzog keine Miene, doch ich spürte, dass er innerlich grinste. Warte nur, bis wir allein sind!, signalisierte ich ihm.
»Das macht eine coole Tat unter Dutzenden von Malen, wo ich kläglich verkackt hab.«
»Und du hast auch nicht zugelassen, dass die Werwölfe uns töteten, nachdem Antonia gestorben war«, erinnerte sich Jessica. »Denn der Leitwolf mochte dich«, fuhr sie fort. »Und dann hast du noch den Teufel dazu gekriegt, Antonia wieder aus der Hölle zu entlassen!«
Nun ja. Das stimmte schon.
»Siehst du?«
Vielleicht.
»Und so ungefähr das Erste, was du vollbracht hast, war, diesen Widerling Nostro zu killen. Der war ja wirklich schlimm. Und du hast ihn getötet und die Herrschaft übernommen.«
»Ein bisschen komplizierter war’s
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