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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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Gefahr!«, warnte Wondrak.
    »Wie man es nimmt«, sagte Marianne gelassen. »Wahrscheinlich legt er gerade irgendeine Miriam, Magdalena oder Mausi flach. Ich hoffe doch, er benutzt ein Kondom.«
    »Nein, im Ernst. Timo hat den Tod seiner Freundin Selena in einem Comic gezeichnet. Und den toten Langer auch. Er hat aber den Comic gezeichnet, bevor der Olanger ums Leben kam. Und als Nächstes ist dein Mann dran. Timo wird ihn umbringen. Mit einem Schlaganfall! Ich weiß nicht, wie er es macht, aber es wird passieren!«
    Marianne war kein bisschen entsetzt. »Tom ist schon lange nicht mehr mein Mann. Wenn er stirbt, bekomme ich die Lebensversicherungen und seine Betriebsrente. Macht mich das verdächtig?«
    Wondrak beeilte sich, noch vor dem Gewitter nach Hause zu kommen.
    Am nächsten Morgen erschien in einer deutschen Werbefachzeitung eine Titelgeschichte mit Timo, und die berühmteste Psychologin des Landes versuchte in einem Gastbeitrag zu erklären, worauf der Erfolg von Résistance beruhte: ›Nie wurde der latente Selbsthass der Deutschen geschickter kommerziell ausgebeutet als in dieser Kampagne. Résistance spielt geschickt mit dem Unterbewussten einer ganzen Nation. Dass ausgerechnet eine deutsche Parfummarke mit dem alten Erbfeind kollaboriert, entbehrt nicht einer gewissen historischen Komik.‹
    Na, das war wirklich ein bisschen dick aufgetragen, schließlich ging es nur um einen halb nackten Franzosen im Kleiderschrank und einen Nazi-Ehemann am Bett. Aber für Timo waren all diese Erklärungen und Komplimente nur Rückenwind. Und den brauchte er auch, denn es war nicht gerade eine Sicherheitslösung, die er seinem Kunden an diesem Morgen vorstellen wollte.
    Es war ein kleiner Kreis, in dem Projekt Alpha präsentiert wurde. Nur Schneidervater, sein Beratungsgeschäftsführer Doktor Haslsteiner und Timo waren zum Kunden gefahren, um die wichtigste Kampagne nach Résistance zu präsentieren. Auf Toms Frage, welchen Part der Präsentation er übernehmen sollte, hatte Schneidervater freundlich geantwortet: »Gar keinen. Der Timo macht das schon.«
    Und Timo machte das. Er stand da im coolen T-Shirt, einer Designerjeans, schwarzem Sakko und trug, um den Hals gewickelt, den Merino-Schal, den ihm Selena gestrickt hatte. Es war seine erste Präsentation auf fremdem Terrain. Ihm gegenüber saßen vier freundliche Kundengesichter. Der Beratungschef Doktor Haslsteiner hatte zuvor Marktanalysen, Strategien, Motivforschungsergebnisse und das ganze unvermeidliche Marketing-all-you-can-eat-Menü aufgetischt, das nun mal dazugehört. Es machte satt, aber nicht glücklich.
    Dann hatte Schneidervater die Gruppe, die vom Zahlenkauen und -verdauen bereits leicht sediert war, wieder aufgeweckt: »Und nun, meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir den Erfinder von Résistance oder, wie wir heute morgen in der Fachpresse gelesen haben: den geheimen Kenner unserer geheimsten Wünsche. Timo Stifter!«
    In diesem Moment spürte Timo Selena ganz nah bei sich. Sie stand hinter ihm, umarmte ihn und genoss mit ihm den wohlwollenden und dankbaren Applaus, den ihm Schneidervater und seine Kunden spendeten.
    Timo begrüßte sein Publikum gleich mit einer unbequemen Wahrheit: »Vielen Dank für die Vorschusslorbeeren. Aber seien wir ehrlich. Heute geht es um ein deutsches Parfum. Deutsches Parfum hat international keinen besonderen Klang. Eigentlich gar keinen. Wie belgische Autos. Also gar nicht existent. Deshalb verstecken wir jedes deutsche Parfum in einem natürlichen Reflex hinter Fantasienamen aus dem Französischen oder Englischen. Und haben Erfolg damit. Denn ein deutsches Parfum funktioniert nicht. Erst recht nicht international. Ein internationales Parfum dagegen funktioniert. Auch in Deutschland.« Timo nutzte die kleine Kunstpause, um einen Schluck Wasser zu trinken. »Ist das tatsächlich wahr?«, fuhr er fort. »Ja, es ist wahr, und es ist dumm.«
    Man muss sich das mal vorstellen: So ein dahergelaufener junger Spund von Anfang 20 stellt sich hin, und erklärt Menschen, die seit mehr als 20 Jahren Parfums vermarkten, dass sie es verkehrt machen. Aber nachdem nichts so glaubwürdig ist wie der Erfolg, gellten keine Pfiffe und flogen keine Papierkugeln durch den Raum. Stattdessen wurde gespannt weiter gelauscht und auch der letzte Zuhörer war jetzt wach.
    »Es ist ungefähr so dumm wie jemand, der vor 15 Jahren behauptet hätte, in Finnland gäbe es nur Wald, wie sollen die kompetent für Handys stehen? Hätte man ihm

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