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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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Mit Werbung Geld zu verdienen ist genauso schwierig wie mit einem Restaurant oder einer Zeitung. So etwas können keine Zahlenmenschen. Dazu braucht man ein Gefühl für die Materie. Dazu musst du geboren sein. Und du bist ein geborener Werber, Timo. Du hast ein Gefühl dafür, wie man Kunden anpackt. Sie vertrauen dir, weil sie wissen, dass es dir nicht ums Geld geht, sondern um die Sache. Wenn du es schaffst, dir das beizubehalten, dann kannst du dir auch so ein Boot kaufen, Timo. Sehr bald«, zwinkerte er ihm zu.
    »Espresso und Grappa!«, bestellte er beim Kellner, der sich nach den Wünschen erkundigte.
    »Für Ihren Sohn auch?«
    Ein Lächeln huschte über Schneidervaters Gesicht.
    »Ja, für meinen Sohn auch.« Schneidervater sah ihn an. »Meine Frau und ich haben keine Kinder. Da stand gar kein großer Plan dahinter, es hat einfach nicht geklappt. Das hat dazu geführt, dass jeder in der Agentur sich einmal als der junge Schneidervater fühlen durfte. Jeden habe ich mal unter meine Fittiche genommen, jeden hab’ ich mal ein bisschen gecoacht, und bei jedem war es dann nach einiger Zeit vorbei. Bei dir hoffe ich, dass es möglichst lange so bleibt.«
    »Ist das der Grund, warum man dich den alten Schneidervater nennt, obwohl es keinen jungen Schneidervater gibt? Jeder, der bei SCP etwas wird, hofft, eines Tages der junge Schneidervater zu sein?«
    »Jeder hofft es. Aber keiner war bisher so nah dran wie du.«
    Schneidervaters kuschelweicher Schmusekurs hatte – wenig überraschend – einen harten Kern. Denn Miriam vom Empfang hatte ihm gemeldet, dass täglich fünf Agenturen versuchten, mit Timo Kontakt aufzunehmen. Die Abwerbeschlacht war in vollem Gang. Und Schneidervater war nicht gewillt, den Feind in die eigenen Reihen zu lassen.

     
    Wondrak war nicht in bester Laune, als er aufs Fahrrad stieg, um nach Hause zu radeln. Er hatte vorher noch bei Norbert Stürmer vorbeigeschaut und der hatte ihm so einen Spruch reingedrückt, den er nun wirklich nicht brauchte. »Also, Wondrak, ich kann nur sagen: Gott sei Dank haben wir die Wasserpumpe für deine Kaffeemaschine angeschafft. Sonst hättest du den Fall wohl nie gelöst«, hatte er gespottet.
    »Falsch«, hatte Wondrak darauf patzig geantwortet. »Dann hättet ihr den Fall wohl nie gelöst. Ich wäre nämlich weg gewesen.«
    Und es gab einen zweiten Grund, warum Wondrak sauer war. Einen Fall ohne die Wondrak-Methode zu lösen, das war für ihn, als würde er Kaffee ohne Zucker trinken. Zwar okay, aber nur der halbe Genuss.
    Sein Handy piepste. Eine SMS von Marianne, deren Nummer er mittlerweile gespeichert hatte: ›Bring mir Eis, mir ist heiß.‹
    Nachmacher, Nachmacher, so riefen es sich die Kinder immer hinterher, und auch Wondrak konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass er hier ein fremdes Werk kopierte. Gut, Urheberrechtsverletzungen waren gar nicht sein Revier, aber ihm behagte der Gedanke einfach nicht. Die Vorstellung, Marianne als Erdbeereisbombe zu vernaschen, fand er zwar erregend, doch für die Ausführung fehlte ihm ein großes Stück eigene Inspiration. Er hätte dann das Gefühl, als würden ihm Clara Braunstätter und Hubert Wallberg dabei zusehen, wie er ihr Werk vollendete.
    Also fuhr Wondrak erst mal nach Hause, fütterte Charlotte, legte ein Kissen auf seinen Gartenstuhl und setzte sich auf die Terrasse. Hinter Landsberg donnerte es, heute würde es noch nass werden, ein bisschen frische Luft vorher könnte nicht schaden. Etwas lesen könnte auch nicht schaden, aber was? Wondrak hatte bereits die Lebenserinnerungen von George L. Mosse in der Hand, jenes deutsch-jüdischen Historikers, der vor den Nazis in letzter Minute aus Berlin geflüchtet war. Da fiel sein Blick auf den Papierstapel neben dem Sofa, auf dem der selbst gezeichnete Comic lag, den Timo Stifter ihm geschenkt hatte. Das war jetzt genau das Richtige. Wüste, detaillierte Zeichnungen mit opulent ausgestatteten Figuren, und dazwischen wieder ganz einfache, simple Skizzen, die mit wenigen Strichen auskamen. Die erzählerischen Mittel beeindruckten ihn. Mit drei Bildern konnte Timo ein ganzes Leben entwerfen. Einen Helden, der mit hängenden Schultern durchs Leben streifte, um einen Auftrag zu erfüllen. Ein totes Mädchen. Ein mystischer Bannstrahl. Und dann sah er es. Wondrak nahm den Comic in die Hand und sprang auf.

     
    »Ist dein Mann zu Hause?«
    Marianne freute sich, Wondrak zu sehen: »Natürlich nicht, hätte ich dich sonst angesimst?«
    »Tom ist in

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