Werden sie denn nie erwachsen?
Amerikanern besetzt war, ausnahmslos weiblichen Geschlechts.
»Die sind auch vom Schiff«, stöhnte er, »ich hab dir doch gesagt, daß sie wie die Heuschrecken über die Stadt hergefallen sind.«
»Wenigstens haben sie sie nicht kahlgefressen, sondern nur leergekauft«, sagte Nicki, auf den Berg von Tüten deutend, mit denen die noch freien Stühle belegt waren.
»Frag mal, ob sie die nicht freundlicherweise wegnehmen können.«
»Oh, Sascha, it’s good that I met you. Can you please help me carry my shopping back to the ship?«
Er schenkte der kanariengelben Dame mit dem lila Sonnenhut ein zähneknirschendes Lächeln und nickte zustimmend. »Jetzt haben wir den Salat«, flüsterte er mir zu, »die werde ich nicht mehr los, und nachher darf ich ihr den ganzen Kram auch noch zurück auf den Kahn schleppen.«
»Sag doch einfach, du hast heute frei.«
»Denkste. Die sitzt doch bei mir im Queens Grill.
Stinkreiche Witwe, hat die Penthouse-Suite gebucht.
Wenn ich die jetzt kalt abfahren lasse, kriege ich spätestens morgen vom Head-Steward eins aufs Dach.
Scheiß Job!«
»Would you like something to drink, Sascha?« Wir anderen wurden von dem weiblichen Triumvirat gar nicht zur Kenntnis genommen.
»Lemon-juice, please«, sagte mein Sohn, bevor er sich einen Ruck gab und uns der Reihe nach ansah. »Ich glaube, wir verabschieden uns lieber. Reden können wir doch nicht mehr.«
Irrte ich mich, oder sah er wirklich ein bißchen traurig aus? Mir steckte ja auch ein Kloß im Hals, der einfach nicht runterrutschen wollte, obwohl ich die Gleichmütige zu spielen versuchte. Ich wußte ja, daß Sascha nichts mehr verabscheut als Erbsensuppe und Abschiedsszenen, deshalb kam seine liebevolle Umarmung auch völlig überraschend. »Mach’s gut, Määm, es war schön, daß ihr gekommen seid. Grüß die anderen zu Hause, und sag ihnen, ich komme auch bald zurück.« Nicole bekam einen Kuß auf die Wange, und sogar Katja kriegte einen zärtlichen Nasenstüber.
Im Weggehen hörten wir Kanariengelb erstaunt fragen:
»Who were those people?«
Als wir am nächsten Abend unseren Verdauungsspaziergang am Strand entlang unternahmen, sahen wir in der Ferne ein hellerleuchtetes Schiff hinter dem Horizont verschwinden. »Gute Fahrt, Sascha«, sagte ich ganz leise, doch Katja hatte es trotzdem gehört.
»Nu werd bloß nicht tränenklüterig, Mami, der geht schon nicht unter. Ein richtiger Mann wächst mit den Gefahren, die er hinter sich hat.«
5
Urlaub im Februar ist herrlich, solange man weg ist.
Kommt man aus tropischen Gefilden zurück in den europäischen Winter und sieht schon am Flugplatz außer einer milchigen Sonne nur kahle Bäume und Schneematsch auf den Straßen, sinkt die Stimmung auf den Nullpunkt. Man kann ja nicht mal mit seiner Prestigebräune renommieren, weil sie niemand sieht.
Wintersportler sind nämlich auch braungebrannt, nur hört bei ihnen der begehrte Farbton am zweiten Halswirbel auf.
Bei uns fing er da aber erst richtig an.
»Morgen gehe ich im T-Shirt zur Schule«, hatte Nicki gesagt und war mittags bibbernd wieder nach Hause gekommen.
»Heute abend sollten wir mal ins Hallenbad gehen«, hatte Katja vorgeschlagen. »Hast du die Bikinis schon gewaschen, Määm?«
Das Hallenbad war wegen Umbauarbeiten geschlossen.
»Schwimmen ist von halbem Wert, hat man das Becken ausgeleert«, kalauerte sie. »Wo kann ich denn jetzt noch meinen sportlich gestählten, makellos gebräunten Körper vorführen?«
»Im Sportunterricht«, sagte Nicki.
Trotzdem gewöhnten sich die Zwillinge viel schneller an den Alltagstrott als ich. Sie mußten ja auch nicht drei Koffer voll Sommergarderobe waschen und bügeln, und als ich endlich damit fertig war, kam der vierte hinzu, denn Rolfs Kuraufenthalt war ebenfalls zu Ende. Er sah besser erholt aus als ich.
»Komisch, daß man die Leute, die gerade aus dem Urlaub kommen, immer gleich erkennt. Du siehst aus, als hättest du dringend einen nötig«, stellte er kopfschüttelnd fest, bevor er mit dem Vierwochenstapel Post in Richtung Arbeitszimmer verschwand. »Ach ja, wenn eine Frau Schwarzenbach anruft, denk dir nichts dabei. Ich soll ihr lediglich einen Prospekt für ihr Antiquitätengeschäft machen.«
Ich dachte mir aber doch etwas. »Wo wohnt die Dame? Im Schwarzwald?«
»Nein, in Dortmund.«
»Ach. Da wirst du ja dann sicherlich hinfahren müssen?«
»Natürlich muß ich hinfahren. Wie soll ich denn einen Prospekt entwerfen, wenn ich den Laden nicht gesehen
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