Werden sie denn nie erwachsen?
habe?« sagte mein Ehemann, der vor dem Standesbeamten ewige Treue und noch einiges gelobt hatte. Manches hatte er sowieso schon vergessen, denn hat man erst einmal die Silberhochzeit hinter sich, entwickelt das Feuer der Liebe in der Regel mehr Rauch als Hitze. Momentan schien es gewaltig zu qualmen. Ehe es sich jedoch zu einem möglichen Flächenbrand auswuchs, überstürzten sich die Ereignisse.
Sie begannen mit Saschas erstem Anruf, als er mir seine Verlobung mitteilte.
»Wahrscheinlich hat er Vicky doch einen Ring gekauft, die sollen ja in Hongkong so billig sein«, vermutete Katja, »und nun bildet sie sich ein, es sei einer für die Ewigkeit.«
Ähnlicher Ansicht war Nicole. »Ich hab’ Sascha immer für halbwegs intelligent gehalten, deshalb glaube ich auch nicht, daß er sich ausgerechnet von so einer Tanzmieze einfangen läßt. Dazu ist er doch viel zu clever.«
»Habt ihr schon mal daran gedacht, daß es ja auch eine ganz andere sein könnte?« gab Katja zu bedenken.
»Obwohl … also rein optisch betrachtet, würde Vicky ja gut zu ihm passen. Neben der sehen wir alle aus wie graue Mäuse.«
Trotzdem einigten wir uns darauf, daß die ganze Angelegenheit wohl nur auf einem Mißverständnis meinerseits beruhen müsse. Außerdem hatten die Zwillinge andere Sorgen. Das mündliche Abitur stand bevor, eine Tatsache, die sie nach den schriftlichen Arbeiten völlig verdrängt hatten. »Da fällt nie einer durch«, hatte Katja gesagt und erst auf väterliches Drängen ein paar Schulbücher mit in den Urlaubskoffer gepackt. Den
Faust
hatte sie sogar täglich mit an den Strand genommen, allerdings nie hineingesehen, nachdem Nicole ihr davon abgeraten hatte. »Die reden da drin wie aus der Dose.«
Und so etwas sollte nun zur Reifeprüfung antreten!
Zwei Tage lang zitterte ich wieder mehr als die Mädchen, dann war auch das überstanden. Am Rückfenster der Ente prangte unübersehbar das Schild »Abi 88«, und in der Abiturzeitung konnte ich später nachlesen, mit welch phänomenalen Kenntnissen meine Töchter in die Zoologie-Prüfung gegangen waren.
Katja auf die Frage, was Frösche im Winter machen:
»Na, sie frieren!«
Nicole, mit dem Thema Säugetiere konfrontiert und aufgefordert, den Begriff erst einmal zu definieren: »Sie haben ein festes Skelett … äh, sind meistens haarig … äh … und geben Milch.« Antwort das Prüfers: »Nach Ihren Kriterien könnte es sich auch um eine Kokosnuß handeln!«
Schulbildung ist eben nicht nur kostenlos, sondern oft auch umsonst! Trotzdem hatten sich die Zwillinge entschlossen, Grundschullehrerinnen zu werden.
Für mich kam das völlig überraschend. »Ich denke, Katja, du willst Touristik studieren?«
Verächtlich winkte sie ab. »Kannste total abhaken! Dazu braucht man einen Abi-Durchschnitt von 1,4.«
»Dabei hat sie sogar das Doppelte geschafft«, spottete ihre Schwester.
»Was Besseres als Lehrerin gibt es doch gar nicht. Du hast einen gutbezahlten Halbtagsjob, jede Menge Ferien und brauchst dich nicht mal um deine Altersversorgung zu kümmern. Der einzige Nachteil ist, daß man schon so früh morgens in Hochform sein muß.«
»Bei den Kleinen kann man ja auch noch etwas bewirken«, zählte Nicki weitere Vorteile auf, »die lassen sich nämlich noch motivieren. Wenn sie erst mal aufs Gymnasium kommen, sind sie schon versaut. Wir waren ja selber lange genug bei dem Verein, da kriegste als Lehrer mit Vierzig entweder den ersten Herzinfarkt oder landest für ein paar Monate in der Psychiatrie. Nee, wenn schon Pauker, dann nur Grundschule.«
Überzeugt war ich noch immer nicht. »Schon mal was von Lehrerschwemme gehört?«
»Ist kein Thema mehr«, beharrte Katja. »Bis wir in vier Jahren fertig sind, zieht die pädagogische Nachkriegsgeneration aufs Altenteil, das ist statistisch erwiesen. Und dann denk mal an die vielen Auswanderer, Asylanten und Flüchtlinge, die haben oder kriegen auch alle Kinder. Ich weiß bloß noch nicht, ob ich nun einen Türkischkurs belegen oder besser Arabisch lernen soll.
Russisch wäre vielleicht auch nicht schlecht.«
Mir kamen diese ganzen Zukunftspläne noch reichlich unausgegoren vor. »Ihr habt doch überhaupt keine Erfahrungen mit Kindern. Woher wollt ihr also wissen, ob ihr pädagogische Fähigkeiten besitzt?«
»Das werden wir in den Ferien ausprobieren. Wir haben uns nämlich als Betreuer in einem Sommercamp am Bodensee gemeldet.«
Davon wußte ich auch noch nichts. Etwas verblüfft stellte ich fest, daß meine
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