Werden sie denn nie erwachsen?
Nesthäkchen flügge wurden und weiterreichende Entscheidungen nun selber trafen.
»Sollten wir mit den Kids nicht klarkommen, müssen wir uns ein anderes Studienfach suchen. Doch ich glaube schon, daß es hinhaut«, meinte Katja optimistisch, »schließlich habe ich oft genug Babysitter bei Vandammes gespielt.«
»Mit drei Vorschulbalgen fertig zu werden, ist etwas anderes, als zwei Dutzend Sechsjährigen Lesen und Schreiben beizubringen«, warf Rolf ein, der die Debatte bisher schweigend verfolgt hatte.
»Stimmt, aber dafür brauchst du denen keine Pampers mehr zu wechseln oder Grießbrei aus dem Ärmel zu holen.
Und aufs Klo gehen sie auch schon alleine. Ich möchte überhaupt mal wissen, weshalb es
Babysitting
heißt, wenn man dabei doch ständig auf Trab ist.«
Nicki fiel auch noch ein Argument ein. »Frau Dr. Müller hat gesagt, der Lehrerberuf sei einer der wenigen, bei denen man nicht in der Routine erstickt.«
»Da könnte sie recht haben«, bestätigte Rolf, »der Einfallsreichtum von Kindern ist unerschöpflich. Wer ist Frau Dr. Müller? Auch eine Lehrerin?«
»Nee, die Tante von der Studienberatung.«
»Also schön, macht, was ihr wollt«, beendete er die Diskussion, »heutzutage hilft Gott denen, die sich selber helfen, und die Regierung den anderen. Von mir aus könnt ihr ruhig Beamte werden.«
Nachdem die fernere Zukunft der Zwillinge geklärt war, wurde ich mit der unmittelbaren meines Zweitgeborenen konfrontiert. Er wünschte, daß ich seine Geburtsurkunde nach England schicke.
»Der will doch nicht etwa
heiraten?
« Mit spitzen Fingern faltete Nicole den Zettel auseinander, auf dem ich die telefonisch durchgegebene Adresse notiert hatte. »Da steht ja gar nicht Vicky drauf, sondern Janet«, staunte sie, »also hat er doch eine andere! Und die heiratet er gleich?«
»Vielleicht
muß
er«, sagte Katja lakonisch. »Es soll Leute geben, die noch nie was von der Pille gehört haben.«
»Dann würden wir ja Tanten werden …« Eine Vorstellung, die Nicki gar nicht zu behagen schien, denn sie erklärte kategorisch: »
Ich
fahre das Gör bestimmt nicht spazieren, sonst denkt alle Welt noch, es sei meins!«
»Und du wirst Oma!« jubelte Katja.
Mit dieser Aussicht würde ich mich erst einmal anfreunden müssen. Andererseits … »Dann brauche ich wenigstens nicht mehr auf meine Figur zu achten! Wen stört es schon, wenn Großmütter rundlich werden?«
Aus dem Hintergrund kam Protest: »Großväter!« Mit dem Telefonbuch unterm Arm kam Rolf aus dem Wohnzimmer, legte es auf den Küchentisch und begann zu blättern.
»Mußt du das ausgerechnet hier machen?« Ich räumte die Eierschalen zur Seite, zog das Brotmesser weg und die Marmeladendose und schob die Kaffeemaschine nach hinten. »Was suchst du überhaupt?«
»Namen für seinen Enkel«, feixte Katja.
»Quatsch! Die Nummer von der Druckerei. Im Wohnzimmer ist es einfach zu dunkel. Wir müssen wirklich mal die Birken ein bißchen kappen.«
Das hatte ich schon seit drei Jahren vor. Immerhin haben wir fünf ausgewachsene Prachtexemplare im Garten stehen. Botaniker behaupten, ein so großer Baum habe rund eine halbe Million Blätter, doch die müssen sich irren. Ich jedenfalls harke in jedem Herbst schätzungsweise 9,7 Millionen zusammen.
Rolf stand neben dem Fenster, hielt das Telefonbuch mit ausgestreckten Armen von sich, dann dicht vor die Nase, dann wieder weit weg, bis Katja es ihm aus der Hand nahm. »Gib mal her, Paps, du liest, als würdest du Posaune spielen. Wie heißt denn die Druckerei?«
Eine Zeitlang hörten wir nichts von Sascha, dann klingelte abends das Telefon, und eine sehr muntere Stimme teilte mir mit, daß mal wieder ein Flughafentransfer erwünscht sei. »Kann mich jemand übermorgen um zehn abholen?«
»Morgens oder abends?«
»Morgens natürlich. Ich brauche ja nur eine Stunde.«
»Nanu? Wo steckst du denn?«
»In Portsmouth.«
Soviel ich wußte, liegt das in England. Aber die Geburtsurkunde hatte ich doch an einen ganz anderen Ort schicken müssen? »Was machst du in Portsmouth?«
»Meine künftige Verwandtschaft kennenlernen.«
»
Wie bitte?
«
Er wurde ungeduldig. »Nun tu doch nicht so überrascht.
Wir wollen am 4. Juni heiraten, da ist es doch wohl logisch, daß ich mich mal der neuen Sippe präsentiere.
Janet ist übrigens ein Pfundskerl.«
»Janet???«
»Meine Schwiegermutter.«
Jetzt mußte ich mich doch erst einmal hinsetzen. Janet war also nicht die Auserwählte, sondern deren Mutter.
Und die
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