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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Staub darauf lag, und daß sich vieles schon Jahre lang nicht von dem Platze gerührt hatte. In den Halsbändern der Hunde, wovon ein ganzer Bündel da hing, war innerlich der Staub; die Falten der Tabaksbeutel waren erstarrt und undenklich lange schon nicht geändert worden; die Röhre der Pfeifensammlung klafften, und die Papiere unter den unzähligen Schwersteinen waren gelb. Das Zimmer, welches statt der Decke ein bedeutend spitzes Gewölbe hatte, war ursprünglich bemalt gewesen, aber die Farbe in ihren Lichtern und Schatten war in ein gleichmäßiges uraltes Dunkel übergegangen. Auf dem Fußboden lag ein ausgebleichter Teppich, und nur dort, wo der Mann während des Speisens zu sitzen pflegte, war ein neuerer, kleinerer mit blühenden Farben gelegt. Jetzt wälzten sich eben die drei Hunde auf ihm. – Es war ein sehr starker Gegensatz, wie Victor in dem Zimmer dieses alten Mannes stand. Sein schönes Angesicht blühte in fast mädchenhafter Unschuld, es war voll Lebenslust und Kraft, die einfärbigen dunkeln Haare lagen gut geordnet um dasselbe, und in seinem Anzuge war er so rein, als wäre derselbe in diesem Augenblicke von liebreichen Mutterhändenbesorgt worden.
    Er blieb, wie er in das Zimmer getreten war, stehen und sah dem Oheime zu. Dieser aber fuhr in seinem Geschäfte fort, als wenn gar niemand zugegen wäre. Er mußte es schon sehr lange nicht verrichtet haben und heute bei Anbruch des Tages daran gegangen sein; denn es war bereits eine ziemliche Zahl Vögel geputzt, und die andern standen noch ganz grau vom Staube hinter ihren Gläsern. Die alte Frau, welche vorhin an Victor vorüber gegangen war, ohne ihn anzureden, brachte jetzt auf einem Brette ein Frühstück herein und setzte es ebenfalls schweigend auf den Tisch. Victor schloß, daß es für ihn sei, da es eben bei seinem Erscheinen gebracht worden war. Er setzte sich daher dazu und verzehrte davon so viel, als er morgens zu essen gewohnt war; denn es stand auf dem Brette weit mehr, als er bedurfte. Es war ein Frühmahl, wie es in England gebräuchlich ist, von Tee und Kaffee angefangen bis zu Eiern, Käse, Schinken und kaltem Rindsbraten. Der Spitz hatte es hiebei am besten; denn Victor gab ihm so viel, als er vielleicht niemals zu seinem Morgenmahle bekommen hatte.
    »Hast du schon Wasser in den Trog gegossen?« fragte der Oheim.
    »Nein,« entgegnete Victor, »ich vergaß es in dem Augenblicke, aber ich tue es gleich.«
    Wirklich hatte der Jüngling im Anschauen seines Oheims auf den Wunsch desselben vergessen. Er nahm daher den großen gläsernen Krug, der mit demselben herrlichen Quellwasser wie gestern auf dem Tische stand, und goß davon einen Teil in einen kleinen hölzernen, wohlgebohnten Trog, der an der Wand neben der Tür stand. Nachdem der Spitz getrunken hatte, ging der Oheim von seinem Geschäfte weg und rief seine Hunde zu dem Wasser; da aber keiner Lust bezeigte, weil sie wahrscheinlich ohnehin schon getränkt waren, so drückte der Oheim an einem Stabe, der von der Wand des Troges empor stand, nieder, worauf sich im Boden des Gefäßes eine metallene Platte öffnete und die Flüssigkeit abrinnen ließ. Victor lächelte fast über diese Einrichtung; denn zu Hause bei ihm war das alles einfacher und freundlicher: der Spitz war in freier Luft, er trank am Bache und verzehrte sein Essen unter dem Apfelbaume.
    »Ich zeige dir vielleicht einmal das Bildnis deines Vaters,« sagte der Oheim, »daß du siehst, wie ich dich gleich erkannte.«
    Nach diesen Worten stieg der alte Mann wieder auf die Leiter und nahm einen neuen Vogel heraus. Victor stand immer in dem Zimmer und wartete, daß der Oheim mit ihm über die Angelegenheit seiner Herreise zu sprechen beginnen werde. Aber dieser tat es nicht und putzte stets an seinen Vögeln fort. Nach einer Weile sagte er: »Das Mittagmahl ist genau um zwei Uhr. Stelle deine Uhr nach dieser dort, und komme darnach.«
    Victor erstaunte und fragte: »Ihr werdet mich also vor dieser Zeit gar nicht mehr zu sprechen verlangen?«
    »Nein«, antwortete der Oheim.
    »So will ich hinausgehen, um Euch in Eurer Zeitverwendung nicht zu stören, und will den See, die Berge und die Insel betrachten.«
    »Tue, was dir immer gefällt«, sagte der Oheim.
    Victor ging eilig hinaus, allein er fand die Tür der hölzernen Treppe verschlossen. Daher ging er wieder zu dem Oheime zurück und bat, daß er möchte öffnen lassen.
    »Ich werde dir selber aufmachen«, sagte dieser.
    Er stellte seinen Vogel hin, ging mit

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