Werke
und blutrote Namen und Jahreszahlen zu ihren Füßen hatten. In die Kirche gelangte er und stand an den von Gold und Silber entblößten Altären – dann war er über manche von ewigem Treten zerschleifte Steinschwelle in zufällig offen stehende Zellen gekommen, in denen es nun hallte und wo dumpfe Luft stand. Zuletzt war er in die Türme gestiegen und hatte die ruhigen, verstaubten Glocken hängen gesehen. Als er wieder über die Quermauer in den Obstgarten hinaus geklettert war, lösete er den Spitz, den er an einem Strunke angebunden hatte, und der indessen stille da gesessen war, wieder los und ging mit ihm fort.
Mehrere Tage darnach, als er mit dem Oheime den seltsamen Auftritt gehabt hatte, ging er einmal in das Bohlenhaus hinab, um sich, wie er es öfters getan hatte, mehrere Teile seines Körpers in dem erquickenden Wasser zu waschen. Als er auf den letzten Stufen so saß und, um sich abzukühlen, vor sich hin schaute, bemerkte er in der Tiefe des Wassers, weil ein ganz besonders schöner Tag war, oder weil er jetzt überhaupt alles schärfer beobachtete, daß einer der Bohlenzähne des Tores, die in das Wasser hinab ragten, kürzer sei als die andern, und so eine Lücke bilde, durch die man vielleicht mittelst Tauchen in den See hinaus gelangen könne. Er beschloß, auf der Stelle den Versuch zu machen. Zu diesem Zwecke ging er in seine Stube und holte sich sein Schwimmkleid. Da er mit demselben zurück gekommen war, sich ausgekühlt und entkleidet hatte, ging er der größeren Tiefe des Wassers zu, legte den Körper längs der Fläche, tauchte vorsichtig, schwamm vorwärts, hob das Haupt und war außer den Bohlen. Selbst den Spitz, welchem er die Schnur abgenommen hatte, konnte er, weil er schlank war, zwischen den Bohlen zu sich hinaus bringen. Nun schwamm er freudig in großen Kreisen aufwärts und abwärts des Bohlentores in dem tiefen See herum. Der Spitz neben ihm. Als seine Kraft gesättigt war, näherte er sich wieder der Bohlenlücke, tauchte und kam unter die Kahnpflöcke und unter das Bohlenhaus hinein. Er kleidete sich nach diesem Bade an und ging fort. Das tat er nun alle Tage. Wenn die größte Hitze sich milderte, ging er in das Schiffhaus, machte sich schwimmgerecht und schwamm, so lange es ihm gefiel, außer dem Bohlentore herum.
Es fiel ihm wohl in dieser Zeit ein, daß er seine Kleider nebst einem Vorrate von Brod durch die Bohlen hinaus schaffen und sie an eine Schnur gebunden schwimmend hinter sich her ziehen könnte, bis er das nächste herein gehende Ende der Anschlußmauer umschwommen hätte. Dort könnte er aussteigen, in einem Verstecke die Kleider trocknen und sie dann anziehen Es würde doch möglich sein, wenn das Brod nur aushielte, eine Zeit zu erwarten, in der man ein auf dem See fischendes Schiffchen herzu rufen könnte. Ja selbst das fiel ihm in Zeitpunkten der erregtesten Einbildungskraft ein, daß er mit einiger Anstrengung seiner Körperkräfte und mit Aufrufung seines Geistes von der Insel etwa bis an den Orlaberg hinüber schwimmen könnte, wo er sich dann durch Klettern und Wandern in die Hul hinüber finden müßte. Es kam ihm die Ungeheuerlichkeit dieses Wagestockes nicht so ungeheuer vor, weil ja auch die Mönche einmal über den Orla in die Hul gestiegen sind, und noch dazu im Winter; aber das bedachte er nicht, daß die Mönche Männer waren, die das Gebirge kannten, er aber ein Jüngling sei, der in diesen Dingen gar keine Erfahrung besitze. Aber wie lockend auch alle diese Vorspiegelungen sein mochten, so konnte er doch keiner derselben eine Folge geben, weil er dem Oheime versprochen hatte, bis zu dem notwendigen Tage da zu bleiben – und dieses Versprechen wollte er halten. Darum kam er von dem Schwimmen immer wieder unter dem Bohlentore herein.
Außer dem Schwimmen brachte er die andere Zeit mit anderen Dingen hin. Er hatte jede und alle Stellen des eingeschlossenen Raumes schon besucht und kennen gelernt. Er wurde nun auf das Gehen und Kommen der Lichter auf den Bergen aufmerksam, und erkannte nach und nach die Schauer der Farben, die über sie gingen, wenn gemach die Tageszeiten wechselten, oder wenn die Wolken schneller an der blanken Decke des Himmels hinliefen. Oder er horchte durch die toten Lüfte, wenn er so saß, wenn die Sonne am Mittage stand oder eben am Bergrande untergegangen war, ob er denn nicht das Gebetglöcklein der Hul hören könne – denn auf der Insel war wirklich weder der Schlag einer Turmuhr noch der Klang einer Glocke zu
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