Werke
antwortete Victor.
»Dich hätte ich geliebt«, schrie der Greis heraus, daß Victor fast erzitterte. Es war einige Augenblicke Stille.
»Und der alte Christoph liebt mich,« fuhr er fort, »und vielleicht auch die alte Magd.«
»Was schweigst du denn?« sagte er nach einiger Zeit zu dem Jünglinge – »wie sieht es denn mit der Gegenliebe aus? Nun, so rede einmal.«
Victor schwieg und wußte kein einziges Wort heraus zu bringen.
»Siehst du,« sagte der Greis wieder, »ich habe es ja gewußt. Sei nur ruhig, es ist alles gut, es ist schon gut. Du willst fort, und ich werde dir ein Schiff geben, daß du fort kannst. – So lange wirst du doch warten, bis der Regen vorüber ist?«
»So lange und noch länger, wenn Ihr Ernstliches mit mir zu reden habt,« sagte der Jüngling, »aber das werdet Ihr doch erkennen müssen, daß keine bloße bittere Willkür einen Menschen binden könne. Es ist doch seltsam, wenn man das geringste Wort dafür wählen soll, daß Ihr mich anfangs auf dieser Insel gefangen hieltet, auf die Ihr mich zuvor gerufen habt, und auf die ich im Vertrauen kam, weil Ihr es verlangtet, und weil der Vormund und die Mutter mir es ans Herz legten. Ferner ist es seltsam, daß Ihr mich von den Briefen meiner Mutter abschneidet, und noch seltsamer ist es, was vielleicht vorher vorgefallen ist, vielleicht nicht.«
»Du redest, wie du es verstehst«, antwortete der Oheim, indem er den Jüngling lange ansah. »Dir mag manches herbe erscheinen, dessen Ziel und Ende du nicht begreifst. Es ist da nichts Seltsames in dem, was ich tat, sondern es ist klar und deutlich. Ich wollte dich sehen, weil du einmal mein Geld erbst, und ich wollte dich deshalb lange sehen. Es hat mir niemand ein Kind geschenkt, weil alle Eltern die ihrigen selber behalten; wenn einer meiner Bekannten gestorben ist, bin ich irgend wo anders hin gezogen, und endlich kam ich auf diese Insel, deren Grund und Boden samt dem Hause, das einmal das Gerichtshaus der Mönche gewesen ist, ich erworben habe, und wo ich Gras und Bäume wachsen lassen wollte, wie sie wuchsen, um unter ihnen herum zu wandeln. Ich wollte dich sehen. Ich wollte doch deine Augen, deine Haare, deine Glieder, und wie du sonst bist, sehen, so wie man einen Sohn ansieht. – Ich mußte dich daher allein haben und fest halten. Wenn sie dir immer schreiben, so halten sie dich in derselben süßlichen Abhängigkeit wie bisher. Ich mußte dich in die Sonne und in die Luft hervor reißen, sonst wirst du ein weiches Ding, wie dein Vater, und wirst, wie er, so nachhaltlos, daß du das verrätst, was du zu lieben meinest. Du bist wohl stärker geworden als er, du stößest mit deinen Waffen wie ein junger Habicht zu; das ist schon recht, ich lobe es; aber du solltest doch dein Herz nicht an bebenden Weibern üben, sondern an Felsen – und ichwäre eher ein Fels als etwas anders. Daß ich dich so fest gehalten habe, mußte sein; wer zuweilen nicht den Steinblock der Gewalttat schleudern kann, der vermag auch nicht von Urgrund aus zu wirken und zu helfen. Du weisest bei Gelegenheit die Zähne, und hast doch ein gutes Herz. Das ist recht. Du wärest endlich doch ein Sohn geworden, es hätte dich hingerissen, mich zu achten und zu lieben – und wenn du das getan hättest, dann wären dir die andern zahm und klein gewesen, die auch an mir nie bis zum Innern dringen konnten. Aber ich erkannte, daß, bis du dahin kämest, eher hundert Jahre vergingen, und darum gehe, wohin du willst, es ist alles aus. – – Wie oft habe ich dich verlangt, daß sie dich senden sollen, ehe sie es taten. Dein Vater hätte dich mir geben sollen – aber er hat gemeint, ich sei ein Raubtier, das dich zerrisse; ich hätte dich eher zu einem Adler gemacht, der die Welt in seinen Fängen hält und sie auch, wenn es sein muß, in den Abgrund wirft. Allein er hat zuerst das Weib geliebt, dann hat er es verlassen, und war doch nicht stark genug, dasselbe auf immer von hinnen zu tun, sondern er dachte stets an dasselbe, und steckte dich, da er starb, unter die Flügel desselben, daß du fast eine Henne würdest, um Küchlein zu locken, und nur zu kreischen, wenn ein Pferdehuf eins zertritt. Schon diese wenigen Wochen bei mir bist du mehr geworden, da du gegen Gewalt und Druck ankämpfenmußtest, und du würdest immer mehr werden. Ich habe verlangt, daß du den Weg zu Fuße hieher machest, daß du die Luft, die Müdigkeit, die Selbstbezwingung ein wenig kennen lernest. Was ich nach dem Tode deines Vaters Hippolyts
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