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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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der Häuschen sehen, weil der ferne blaue Wald so groß ist und die Häuschen so klein. Der große Wald geht, weil er so entfernt ist, so stumm dahin und dahin.«
    »Fahren wir da gerade auf den Wald zu?« fragte der Knabe.
    »Nein, mein Kind,« antwortete der alte Mann, »siehst du dort rechts hinter dem Berge einen Turm hervorragen? Das ist der Kirchenturm eines großen Ortes, den man Waldkirchen nennt. Auf diesen Ort fahren wir zu. Und siehst du weit hinter Waldkirchen den Bühel von dem Rande des blauen Waldes emporragen?«
    »Ich sehe ihn, Großvater«, sagte der Knabe.
    »Das ist der Fels der drei Sessel, der über alle Bäume emporragt,« sagte der alte Mann, »und von diesem Felsen gerade herab, wo der Wald aufhört, ist die Stelle, zu der wir gehen.«
    »Kommen wir noch heute hin, Großvater?« fragte das Mädchen.
    »Nach fünf Stunden, wenn wir von diesem Gasthause weggefahren sind,« antwortete der alte Mann, »und da bekommt ihr unter Weges noch eine gute Milch in einem Hause, das Jandelsbrunn heißt.«
    »Wie freue ich mich auf die Milch und auf den blauen Wald,« sagte das Mädchen, »ich habe noch gar keinen blauen Wald gesehen.«
    »Wenn du hinkommst, ist er grün«, sagte der alte Mann. »Alle Wälder sind ja grün, Katharina«, sagte der Knabe. »So schimmert er nur blau?« fragte das Mädchen.
    »Wie alle Höhen in der Ferne«, sagte der alte Mann. »Und der Wald, wenn ihr in ihm herumgehen werdet, hat köstliche Dinge in sich. Da ist der ganze Boden, auf dem er steht, ein ungeheurer zerklüfteter Stein, ein Stein, der Hunderte von Meilen lang ist, viele Meilen breit und manche Meile tief. Er hat Risse und Spalten und Gänge und Öffnungen, in welche die Wurzeln der Bäume eindringen, und über welchen der schwarze Boden liegt, auf dem die Gräser und Blumen und Beeren des Waldes wachsen. Und das Wasser, welches von den Wolken des Himmels niederregnet, sinkt hinein und sinkt immer tiefer, und sinkt tiefer, und reinigt sich und sammelt sich in dem Steine wie in einem blanken Kruge, weil der Stein fest ist wie eine glatte Schale. Und dann quillt es irgendwo hervor und macht ein kleines Bächlein, oder in der Steinmulde ein Brünnlein, so hellen Wassers, daß du nicht weißt, wo die Luft aufhört und das Wasser anfängt, und ein Wasserfädlein rinnt von der Mulde fort, und tausend Wasserfädlein rinnen, und überall rieselt es emsig und still, und das Rieselnde findet sich zusammen, und es rauscht dann in der Tiefe, und die vielen, vielen Bäche gehen in die Länder hinab. Und dieses Wasser gibt allen Wesen, selbst den Gräsern, Fröhlichkeit und Gesundheit, was das Wasser in den Ländern draußen, wo allerlei unreiner Boden ist, nicht geben kann. Und die Luft ist in den Höhen, die der Wald einnimmt, reiner, weil sie in allen Höhen reiner ist, und sie wird durch das Harz des Waldes und durch das Atmen seiner Millionen Blätter und Nadeln noch anmutiger und balsamreicher, daß sie eben so Fröhlichkeit und Gesundheit bringt wie das Wasser. Und wer beides, Fröhlichkeit und Gesundheit, verloren hat, der erhält sie wieder, wenn er von diesem Wasser trinkt und von dieser Luft atmet. Darum gehe ich mit euch zu einem Brunnen, den ich in dem Waldeweiß, und in die Luft, die um den Brunnen fließt.«
    »Großvater, haben wir denn die Gesundheit und Fröhlichkeit verloren?« fragte das Mädchen.
    »Du, meine Katharina, hast beides, und ich glaube, auch Franz hat beides«, sagte der alte Mann.
    »Und hast du beides nicht, Großvater?« fragte der Knabe. »Ich glaube, ich habe es nicht«, sagte der Großvater.
    »Und wodurch hast du denn die Fröhlichkeit und die Gesundheit verloren?« fragte der Knabe.
    »Ich werde sie durch manche Dinge verloren haben, mein Kind,« antwortete der alte Mann, »die du nicht verstehst. Ich bin freiwillig in ein Amt gegangen und bin dadurch schon in einer Zeit zu viel an einem Tische gesessen, als noch euer Vater und eure Mutter im Grase fröhlich herumsprangen, ich habe Kummer erlebt und werde Gesundheit und Fröhlichkeit auch verloren haben, weil ich Mangel an Liebe litt.«
    »Daran hast du ja nicht Mangel,« sagte Franz, »dich lieben alle Menschen, und sagen es auch, dich lieben unsere Dienstleute, und sagen es auch, dich lieben die alten Männer, die oft zu uns kommen, darum kommen sie, dich lieben unsere Lehrer, sie haben es zu uns gesagt, und ich und Katharina lieben dich auch, so gut dich Susanna und Ludmilla lieben.«
    »Die lieben mich alle, und ihr liebt mich

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