Werke
jungen Frau, welche ich vor Jahren auf dem Rigi gesehen hatte. Ich fuhr an grünen Bäumen und zwischen grünen Wiesen und Feldern meines Weges und kam nach Hause.
Ich erzählte meiner Frau von dem Vorfalle, und erzählte ihr auch von der jungen Frau.
Ich war nämlich noch ein Schüler der Rechtsschule gewesen, als ich eines Tages mit einem Ränzlein auf dem Rücken, einer kleinen Haube auf dem Kopfe und einem Knotenstocke in der Hand den Rigi emporstieg. Es waren unser fünf, sämtlich aus derselben Schule und gleich ausgerüstet. Wir verbrachten die Nacht auf dem Berge, und am Morgen waren wir mit anderen Leuten auf einer Aussicht. Da stand eine Frau in einem schwarzen Gewande. Sie trug einen kleinen weißen Fächer in der Hand, am Halse ragte eine schmale weiße Krause aus dem schwarzen Gewande hervor, und auf dem Haupte hatte sie einen runden, gelben, sehr feinen Florentiner Strohhnt. Manche Menschen des Berges sahen auf die Frau. Die ungemein großen Augen waren schwärzer als das schwarze Gewand, so waren auch die reichen Haare unter dem Florentiner Hute, die Zähne waren weißer als die Krause und der Fächer, und für die Gestalt war nichts da, womit man sie hätte vergleichen können. Sie war hoch; aber wäre sie um eine Linie höher gewesen, so wäre sie nicht mehr so schön gewesen, und wäre sie um eine Linie niedriger gewesen, so wäre sie auch nicht mehr so schön gewesen. Damals waren Frauengestalten noch Gestalten, nicht wie jetzt häßliche Kleiderhaufen. Sanft baute sich die Gestalt empor, wenn sie sich regte, so war die Bewegung weich und geltend. Die Menschen sagten, ihre Augen erscheinen nur so leuchtend und ihre Zähne nur so weiß, weil die Farbe ihres Angesichtes ungewöhnlich dunkel sei, dunkler, als sich mit Schönheit verträgt; aber gerade, weil in das Rosenrot ihrer Wangen ein wenig Bräunlichschwarz gemischt war, glich die feine Wölbungdieser Wange so sehr der zarten Führung des schönsten uralten Standbildes. Bei dieser Frau war ein Mann, der nur wenig größer war als sie, und braune Augen und Haare hatte. Die Leute sagten, dieses Paar sei schon eine Woche in der Herberge des Rigi. Wir blieben den ganzen Tag auf dem Berge, und an diesem Tage sahen wir und andere öfter auf die schwarze Frau, obwohl auch Mädchen da waren, von denen man sagen konnte, daß sie sehr schön seien. Ein alter Kaufmann aus Augsburg erzählte uns, daß er heraus habe, daß die Frau wunderbare kleine Gedichte mache; aber niemand habe eines dieser Gedichtchen gesehen oder gehört, und er auch nicht. Er zeigte uns ihren und ihres Mannes Namen in dem Einschreibbuche der Herberge. Der Name der Frau stand mit einer klaren Handschrift da; aber keines der wunderbaren Gedichtchen war dabei. Ich habe den Namen später wieder vergessen. An dem Tage, den wir auf dem Berge verbrachten, habe ich die Frau mit ihrem Gatten wandeln sehen, ich habe sie auf einem Steine sitzen sehen, ich habe sie in dem Gesellschaftssaale gesehen, und ich habe sie sprechen hören. Als der nächste Morgen graute, gingen wir fünf Wandergesellen wieder den Berg hinunter. Da sagte Froschhäuser, einer der Kameraden: »Diese schwarze Frau sollte man nach München schaffen, und dort sollte sie in Ton gebildet und dann in Erz gegossen und in Marmorgehauen werden, daß die Welt erführe, was Schönheit sei.«
»Dann wäre nicht vorhanden,« antwortete ich, »wie sie die schwarzen Augen gegen ihren Gemahl aufschlägt und klare Worte spricht.«
»Und ich«, sagte Kreidenberger, ein anderer der Wandergesellen, »würde auf einem Schermesser von Schwabach nach Rom reiten, wenn ich dadurch diese Frau, falls sie noch ein Mädchen wäre, zu meinem Weibe gewinnen könnte.«
»Und wenn du auf dem Schermesser von Schwabach nach Rom und von Rom nach Schwabach geritten wärest,« sagte Grünfeld, ein dritter der Wanderer, »so möchte sie dich nicht, wenn sie in den runden Kreis deines Angesichtes blickte.«
»Wohl,« sagte Kreidenberger, »wenn ich meine Redegabe anwenden würde.«
»Streitet nicht,« sagte ich, »das ist jetzt gar nicht mehr anszumitteln.«
Aber sie stritten fort.
»Und wer weiß, was ich tue«, sprach Kreidenberger. »Ich suche die Frau auf, lasse meine Worte fliegen, und wende sie von ihrem Manne zu mir.«
»Schlagt ihn tot,« schrie Kindinger, der vierte der Wandergesellen, »jetzt ist er toll, und es kann ein Unglück geschehen.«
Und so stritten und redeten sie fort, und redeten viele Tage, da wir noch in manchen Gegenden der
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