Werke
Reisenden wurde gebracht und ausgepackt, die Abendsuppe wurde auf den runden Tisch gestellt, und der Großvater zeigte nur noch, ehe es dämmerte, den Kindern den schönen Wasserstrahl, der hinter dem Häuschen gleichsam mitten aus dem Felsen wie Glas hervorschoß und sich in einem Felsenbecken sammelte, von dem dann ein winziges Bächlein weiter rann, dann wurde die Haustür gesperrt, die Fenstervorhänge wurden zugezogen, und alle gingen zur Ruhe.
Des andern Tages am frühesten Morgen, als sie die Milch und das Wasser, das ihnen von der Frau gebracht worden war, getrunken hatten, gingen die drei neuen Bewohner des Häuschens auf dem weißen Wege, der von unendlich vielen Sandkörnern glitzerte, neben dem tauigen Grase in das freie, weite Tal dahin. Der Großvater führte die Kinder gegen das Schulhaus der Waldhäuser, welches auf dem Anger unter lauter Kirschbäumen stand und auf allen Seiten von oben bis unten mit Schindeln bedeckt war. Sie hatten eine halbe Stunde bis dahin zu gehen gehabt. Der Unterricht hatte noch nicht begonnen. Der alte Mann führte die Kinder in die Stube des Lehrers und sagte zu diesem: »Ich bin Stephan Heilkun, der Besitzer von Heilkun und Thanau, und diese zwei sind meine Enkel, die Kinder meines verstorbenen Sohnes. Ich bin in diesen Wald gegangen, um hier im Sommer Luft, Wasser und Aussicht zu genießen. Der Schreiner, welcher sich abseits der Klafferstraße das größere Haus gebaut hat, ist so freundlich gewesen, mir das kleinere, in dem er früher gewohnt hat, für eine Zeit zu überlassen. Seine Muhme Crescentia ist meine Magd. Ich bin zu Euch gekommen, verehrter Herr Lehrer, weil Ihr der Schreiber der Waldgemeinde seid, Euch meine Ankunft und die Absicht meines Aufenthaltes dahier anzuzeigen. Den Vorsteher werde ich übermorgen am Sonntage besuchen, da ich bis dahin geordnet bin und den etwas weiten Weg zu ihm ohne Zeitversäumnis werde antreten können.«
»Mein hochedler und mein hochverehrter Herr,« antwortete der Lehrer, »ich danke für die Anzeige und werde sie sogleich eintragen. Möge Euch und den Kindern der Aufenthalt in dieser wilden Gegend recht lieb sein.«
»Den Unterricht meiner Enkel werde ich selber fortsetzen,« erwiderte der alte Stephan, »sollte ich Eures Rates hier je bedürfen, so werde ich Euch darum bitten.«
»Mein Rat wird bei so lieben und schönen und wohlerzogenen Kindern kaum nötig sein,« entgegnete der Lehrer, »aber wo ich dienen kann, diene ich gern. Leider sind meine Gaben klein, und sie sind noch kleiner geworden, weil mich meine Vorgesetzten so lange in diesem unwirtbaren Waldwinkel bei so rohen Menschen gelassen haben.«
»Und könnt Ihr die Kinder dieser Leute nicht verbessern und veredeln?« fragte Stephan.
»Ja, wenn die Eltern nicht wieder alles verdürben,« antwortete der Lehrer, »die Kinder lernen Halsstarrigkeit und Bosheit. Da habe ich sogar ein Mädchen in der Schule, das aus Rohheit und Bosheit, obwohl es meiner Lehre schon fast entwächst, bisher noch kein Wort in der Schule gesprochen hat.«
»Das sollte doch kaum möglich sein«, sagte Stephan.
»Es ist möglich,« antwortete der Lehrer, »das Kind sitzt auf der zweiten Bank, und wenn ich es frage und liebreich zu ihm rede, zeigt es die Zähne und schaut mich mit häßlichen Augen an, und sagt gar nichts, und wenn ich seine Schrift oder sein Buch oder seine Rechnungstafel will, so hält es die Hand darauf und blickt noch abscheulicher. Ich will als vernünftiger Mann nicht Gewalt brauchen, sonst kömmt das Kind gar nicht mehr in die Schule und geht ganz zu Grunde. Auf der Gasse stößt und schlägt es die andern Kinder, oftmals steht es auf einem Felsen und streckt den Arm aus den Lumpen hervor und predigt, oder schreit sonst etwas, wenn auch gar niemand dabei ist, der es hört, ja dann schreit es sogar am lautesten. Nicht einmal bei seiner Mutter will das Mädchen bleiben, die doch noch die ehrbarste ist, sondern hockt bei der verwahrlosten Großmutter in dem hölzernen Loche hinter der Hütte und höhnt die Großmutter, indem es ihr Tannenreiser in die weißen Haare steckt, oder Preißelbeeren, oder ihr einen Busch von Hahnenfedern auf das Haupt bindet. Es rennt oft in den Gräben herum und zerreißt Gebüsche und Kräuter. Öfter singt es mit der Großmutter.«
»Und hat denn dieses Kind in der Schule etwas gelernt?« fragte der alte Stephan.
»Ich sehe es mitlesen, wenn gelesen wird,« sagte der Lehrer, »wenigstens rührt es die Lippen, die Kinder sagen, daß
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