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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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ein Gedränge. Drei einspännige Wagen standen da, jeder mit einem mageren Pferde bespannt und mit einem Leinwanddache überwölbt, und zwischen ihnen lagen allerlei seltsame Dinge: bunte Stäbe, Pfannen, runde Krüge, krumme Hackmesser, Kesselpflöcke, zwei Handtrommeln und noch mehr anderes. Um diese Dinge trieben sich Zigeuner herum: Männer und Weiber so schwarz wie der Mohrenkönig auf alten Bildern der heiligen drei Könige, in Trachten verschiedener Zeiten und Länder gekleidet, feurig an Farbe, ganz oder zerrissen, und dabei schrien sie, als keiften sie, in der Angelegenheit des Abfahrens oder des Ankommens begriffen. Neben der Tür des Gasthauses aber, zu der ich mir mühsam einen Weg bahnte, um mir für die Zeit, wann ich mit meinem Amtsgeschäfte fertig sein würde, ein Mittagmahl zu bestellen, stand ruhig, als ginge sie das alles nichts an, ein Mädchen der Zigeuner, und ich, der ich doch bereits in die reifenden Jahre trat, prallte fast zurück, als ich das Mädchen sah. Das war die schönste Menschengestalt, die sich je in meinen Augen gemalt hatte. Der Oberkörper war in ein rötlich braunes, ausgebleichtes Zeug gehüllt, das so dünn war, daß man alle Gestaltungen durch dasselbe verfolgen konnte, und aus dem noch überdies die Arme von den Achseln an ganz nackt herabgingen. Von den Hüften war ein Rock mit gelben und roten Streifen bis über die Kniee hinunter, der aber die Schwingungen der Gestalt vollkommen erkennen ließ. Die Füße waren nackt. Von dem wolkigen Stoffe des Oberkörpers hingen allerlei mit den grellsten Farben gefärbte Bänder und Schnüre und Flechtwerke herunter. Das Angesicht hatte die einfachsten Linien. Die Nase war gerade, die Lippen waren kräftig, die Augen waren sehr groß und so schwarz, wie weder schwarzer Sammet oder Kohle oder Rabengefieder oder irgend etwas anders in der Welt schwarz ist. Die Haare hatten dieselbe Farbe und schlangen sich in wunderlichen Knäueln mit Schleifen und hellen Flittern über den Nacken auf den Rücken hinunter. Die Farbe des Körpers, gelbbraun wie ältliches Erz, stand sehr gut zu den schreienden Farben der Bänder und zu dem Ebenmaße der Glieder, daß, wenn diese Gestalt genau, wie sie ist, gegossen gewesen wäre, sie das schönste menschliche Standbild geworden wäre, dashervorzubringen ist, und daß alle Völker in Bewunderung vor der Schönheit dieses Kunstwerkes hätten knieen müssen, obwohl in dem Abgusse der Glanz der Augen gefehlt hätte. Ein Maler wäre nicht im Stande gewesen, die Gestalt zu malen, weil er das sanfte Rund der Glieder nicht zuwege gebracht hätte. Ich dachte, da ich das Mädchen sah, daß keine Regelmäßigkeit der Kristalle, keine Pracht einer Pflanze, so herrlich sie sei, kein edles Tier, und wenn es das schlankste, kräftigste, feinste Wüstentier ist, so schön zu sein vermöge wie ein Mensch.
    Den Ernst in den Mienen des Mädchens würde ich dem Ernste der sixtinischen Madonna vergleichen, wenn ich nicht eine Ungerechtigkeit beginge; denn das Mädchen war schöner als die raphaelische Madonna. In den Standbildern der Griechen, die auf uns gekommen sind, und auf den Tafeln aller Maler ist diese Gestalt nicht vorhanden. Von der Stimme des Mädchens konnte ich nichts vernehmen; denn es gab, während ich da war, keinen Laut von sich. Auch machte es keine Bewegung, und nur bei dem Blinken der Augen sah ich die Regung der Wimpern. Neben dem Mädchen stand in der Haustür der Wirt mit dem großen Bauche, der grünen Weste, der schwarzen Haube und den weißen Hemdärmeln, und fragte mich, was mir zu Befehl sei. Ich sagte ihm, daß ich um zwölf Uhr essen kommen werde, und daß er mir dann geben möge, was er habe. Ich sagte sonst nichts und betrachtete das Mädchen; aber nur kurz, denn da man mich hatte ankommen sehen, so sendete man mir sofort die Botschaft, die anderen Herren warteten schon auf mich in dem Pfarrhofe. Ich ging also in den Pfarrhof, und später an das, was in Neukirchen meines Amtes war. Um drei Uhr des Nachmittages kam ich erst in den Gasthof zurück; denn wir hatten sämtlich das Mittagessen bei dem Pfarrer einnehmen müssen. Der Platz vor dem Gasthause war jetzt ganz leer. Ich trank nun weniger des Durstes als des Wirtes wegen ein Glas Wein, fragte flüchtig um die Zigeuner, hörte, daß sie fort seien, ließ meine Pferde vor den Wagen spannen, saß ein, und rollte dann auf meinem Heimwege dahin, an die Gestalt des Mädchens denkend, und erwägend, ob sie denn so schön gewesen sei wie die der

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