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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Schimmer der Liebe hat mir Gott gesendet, und ich will ihn mir für den Rest meines Lebens bewahren, es mag dieser Rest lang oder kurz sein.«
    So war es mit dem wilden Mädchen.
    Nicht lange Zeit darnach, da ich das erfahren hatte, was ich hier erzählt habe, war ich wieder einmal auf dem Rigi, und es war meine Gattin mit. Der jetzige Wirt, der bei meinem ersten Besuche des Berges ein junger Mensch gewesen war und sich viel mit uns abgegeben hatte, erzählte mir, es sei die schöne schwarze Frau mit ihrem Gatten wieder da gewesen, und die Schwester dieses Gatten sei mit ihrem Manne auch da gewesen. Die schwarze Frau sei noch immer ganz unbegreiflich schön. Ihre braunhaarige Schwägerin gebe ihr aber wenig nach. Er zeigte mir die Namen im Einschreibbuche; da stand: Franz von Heilkun, Juliana von Heilkun, Alexander von Belen, Katharina von Belen. Ich schlug nun jene Namen nach, welche mir einmal der Augsburger Kaufmann als die der schwarzen Frau und ihres Gatten in demselben Buche gezeigt, und die ich wieder vergessen hatte. Da stand auch: Franz von Heilkun, Juliana von Heilkun.
    Von den wunderschönen Gedichtchen, welche Juliana soll machen können, stand auch jetzt keines bei ihrem Namen im Einschreibbuche.

Der Kuß von Sentze

In einem Waldwinkel liegen drei seltsame Häuser oder Schlösser.
    Das eine Haus liegt an dem Abhange eines Berges. Es ist aus einem rötlichen Steine erbaut, der hie und da eine sanfte Rosenfarbe hat, an den Ecken stehen große, runde Türme, und die Fenster und Tore haben den Rundbogen und sind mit einem schneeweißen Steine eingefaßt. Von dem Hause geht ein großer Garten nieder, der allerlei Bauwerk hat und in einer Art Verwüstung ist. Unterhalb des Gartens spaltet sich der Hauptberg in zwei Nebenberge, gleichsam zwei grüne Kissen, die gegen das Tal hinabgehen. Und auf der Wölbung dieser Kissen liegen die zwei anderen Häuser. Sie sind genau wie das obere gebaut, nur kleiner, und das eine ist ganz aus dem weißen Steine, das andere ganz aus dem roten.
    Diese drei Häuser heißen die Sentze. Das weiße heißt die weiße Sentze, das rote die rote Sentze und das obere die gestreifte Sentze. Sonst sind keine Häuser vorhanden. Rückwärts geht der Waldhang empor, vorwärts senken sich die Bühel vollends hinab, zwischen ihnen und an ihren Seiten rauschen Bäche in die Tiefe, und unten ist das Tal mit Gebüsch erfüllt. Weiter draußen links, wenn man von den Sentzen kömmt, beginnen die Häuser von Wermelin, das der Volksmund Werblin nennt.
    Von der alten Zeit sind die Nachrichten über die Häuser spärlich. Ein Mann soll einmal, da noch der wilde Wald war, die alte Burg gebaut haben. Er hatte zwei Söhne, die in beständigem Hader lebten. Da sagte er einmal: »Durch einen Kuß hat Judas den Heiland verraten, und das ist die schlechteste Tat gewesen, die auf der Erde verübt worden ist. Ihr solltet euch einmal küssen, und von da an sollte keiner dem andern ein Leid tun, weil sonst noch ein Judaskuß auf der Welt wäre.«
    Die Brüder küßten sich zu einer guten Zeit, und hatten dann eine solche Furcht vor dem Judaskusse, daß sie fortan nicht mehr haderten, ja sich oft zu der nämlichen guten Handlung vereinigten. Die Sache wurde in dem Geschlechte der Sentze fort erzählt, da es unter den Nachkommen manche Streitbare gab, wiederholt, sie wurde endlich bräuchlich, und zuletzt gar eine Satzung. Die Streitenden konnten den Kuß verweigern, dazu hatten sie das Recht; haben sie ihn aber einmal gegeben, dann mußten sie Frieden halten. Man hat später die Veranlassungen zu dem Kusse aufgeschrieben, und wenn wieder solche kamen, hat man das Aufgeschriebene vorgelesen, oder zu lesen gegeben. Es sind keine Nachrichten vorhanden, ob einmal einer von Sentze die Verpflichtung aus dem Kusse gebrochen hat.
    Im Laufe der Zeiten war einmal nur ein Vater mit zwei Söhnen von dem Geschlechte übrig. Die Söhne waren uneinig; sie gaben sich aber den Gewährkuß, und als der Vater gestorben war, wollte keiner der Söhne die Burg bewohnen, um den andern nicht zu beleidigen. Der eine baute sich die rote Burg nach dem Vorbilde der roten Farbe des alten Hauses und der andere die weiße nach dem Vorbilde der weißen Einfassung. Das alte Haus aber besaßen sie gemeinschaftlich. In einer anderen Zeit war nur ein Junker von einem Zweige des Stammes vorhanden, und ein Fräulein von einem anderen Zweige. Sie gaben sich den Kuß, haßten sich dann nicht, ehelichten sich sogar, lebten in sehr großer Liebe, und

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