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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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von ihnen kommen wieder zahlreiche Sentze, die sich in zahlreiche Zweige verteilten. Weil nun der Kuß nicht bloß den Streit verhindern, sondern auch Liebe erzeugen konnte, so teilten ihn die Sentze in zwei Arten ein. Den Liebeskuß nannten sie den Kuß der ersten Art, oder schlechtweg den ersten Kuß, den Friedenskuß nannten sie den Kuß der zweiten Art, oder schlechtweg den zweiten Kuß. Die Sentze behaupteten, sie stammen von dem uralten Geschlechte der Palsentze, oder sie seien eigentlich dieses Geschlecht selber, und jener Huoch de Palsentze, welcher am 24. April des Jahres 1109 den Stiftbrief des Klosters Seitenstätten als Zeuge unterschrieben hat, sei einer ihrer Vorfahrer gewesen, ja dieser Huoch sei der nämliche gewesen,der als Huoch de Palsentze zugleich mit seinem Bruder Ruodpret im Jahre 1110 eine Schenkung des edlen Mannes Rapoto de Movsilischirchen an das Hochstift Passau unterschrieben hat, und diese Brüder seien jene Brüder gewesen, welche zum ersten Male den Kuß von Sentze gegeben haben. Später sei durch Mißbrauch des Wortes der Name Palsentze zu Sentze verstümmelt worden, was wieder geordnet werden müsse. Wie dem auch sei, eines ist richtig: in dem Geschlechte der Sentze kommen die Namen Huoch, Rupert, Walchon, Erkambert, Itha, Hiltiburg, Azela, wie sie bei den alten Palsentzen gewesen waren, immer wieder vor, was aus den zahlreichen Schriften zu ersehen ist, die sich in den drei Häusern bis auf unsere Zeit angesammelt haben. Die Sentze sind wohlhabend gewesen oder geworden. Sie besitzen jetzt außer den drei Häusern mit den zu ihnen gehörigen Ländereien noch andere Güter, die sie durch Kauf oder Tausch oder auf andere Weise erworben und mannigfaltig verändert haben. Sie lebten in neuerer Zeit bald in den Stammburgen, bald in andern Schlössern, oft in einer angenehmen Stadt, oft auf Reisen.
    Wir teilen aus der letzten Schrift des weißen Hauses folgendes mit:
    Am dreizehnten Tage des Monates April des Jahres 1846 hatte ich meinen fünfundzwanzigsten Geburtstag, den Tag meiner Mündigwerdung. Ich kleidete mich am Morgen in meinem Schlafzimmer sorgfältig an und ging in mein Wohnzimmer. Der mit Laubwerk eingelegte Tisch war in der Nacht ohne mein Wissen mit einem braunen Sammettuche überlegt worden. Auf dem Sammet lagen sehr schön gebundene Bücher. Sie waren eine Sammlung aller altdeutschen Dichtungen. Josef kam herein und sagte, der Vater lasse mich zum Frühmahle bitten. Ich ging in die Stube des Vaters. Er war festlich gekleidet. Er stand auf, da ich eintrat, ging mir entgegen und küßte mich auf die Stirne. Seine Augen waren feucht geworden. Ich trocknete mir die meinigen und küßte seine rechte Hand. Dann nahmen wir das Frühmahl ein, während dem wir fast immer schwiegen. Nach demselben sagte der Vater: »Komme um zehn Uhr, wenn es zu dieser Zeit möglich ist, in das Empfangzimmer, ich möchte einiges mit dir sprechen.«
    Ich antwortete: »Ich werde kommen.«
    Darauf trennten wir uns.
    Um zehn Uhr ging ich in das Empfangzimmer. Von den Geräten waren die Überzüge und Decken weggenommen, und sie standen in ihrer Ursprünglichkeit da. Der Vater kam gleich nach mir herein. Er setzte sich in den großen Prunksessel und wies mir einen andern an. Da wir saßen, sprach er: »Du bist heute fünfundzwanzig Jahre alt, und nach dem Brauche unseres Hauses mündig geworden. Du hast dich gegen diese Zahl der Jahre nicht gesträubt, die in den Gesetzen nicht begründet ist. Wenn wir die Feier des heutigen Tages beendiget haben, werde ich dir die Habe, über die du jetzt schon gebieten kannst, einhändigen und dir die Rechnungen übergeben, die ich als dein Vormund geführt habe. Jetzt muß ich ein anderes Wort zu dir sprechen. Seit Walchon und ich das nämliche schöne Fräulein zu ehelichen gewünscht, seit wir uns den Friedenskuß gegeben und ihn so gehalten haben, daß keiner mehr das schöne Fräulein begehrte, seit wir unsere Gattinnen in das Grab gelegt haben: ist oft der gleiche Spruch über unsere Lippen gegangen: ›Wie einst nur mehr
ein
Jüngling und
eine
Jungfrau aus unserem Geschlechte übrig gewesen waren, wie sie sich geehelicht haben und eine Blüte des Namens daraus hervorgegangen ist, so sind nun unsere zwei Kinder die letzten des Stammes; wenn es doch wieder würde wie damals, und noch einmal eine Blüte emporkeimte.‹ Mein Sohn, ich bitte dich, gehe in diesem Jahre zu der Base Laran nach Wien und besuche Hiltiburg. Ihr seid als Kinder recht gut mit einander

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