Werke
gewesen, vielleicht seid ihr es jetzt nach langer Trennung wieder, vielleicht werdet ihr es noch mehr, und es erfolgt eine Eheverbindung, was der schönste Wunsch eurer Väter ist. Dann besuche einmal Walchon. Er ist in der grauen Sentze und betreibt seine Lieblingswissenschaft, die der Moose. Das ist, umwas ich dich bitten wollte.«
Der Vater hatte seine Rede geendigt, und ich antwortete: »Ich werde gerne zu Hiltiburg und gerne zu ihrem Vater gehen. Wenn Hiltiburg und ich uns gut sind, wenn wir uns noch mehr gut werden, wenn aber jene Neigung nicht entsteht, die zu einer Ehe notwendig ist, wirst du und Walchon dann noch die Verbindung wünschen?«
»Nein, mein Sohn,« sagte der Vater, »das wäre das Judastum, das in unserem Stamme so verhaßt ist. Wenn es wird, wie du sagst, dann bleibt liebe Verwandte und sucht euch Herzgespielen nach eurer Art, es werde daraus, was will. So würde auch deine Mutter denken, wenn sie noch lebte.«
Nach diesen Worten sprachen wir noch von verschiedenen unbedeutenderen Dingen und trennten uns dann.
Ich aber trug die Worte des Vaters mehrere Tage mit mir im Gedanken herum. Dann schrieb ich an Hiltiburg: ›Geehrtes Fräulein, liebe Base! Ich werde Dich in dem Winter, der da kommen wird, in Wien besuchen. Unsere Väter wünschen, daß wir eine Neigung zu einander fassen, aus welcher eine Eheverbindung wird. Wenn ich die Neigung fassen kann, wenn Du auch zu mir diese Neigung zu fassen vermagst, so werde ich sehr erfreut sein. Denke Dir aber nicht, daß ich in dem Sinne nach Wien komme, Dich durchaus heiraten zu wollen, Du hast die Freiheit, wie wenn ich Dir fremd wäre und Du nie etwas von mir gehört hättest. Ich schreibe Dir dieses, daß zwischen uns völlige Klarheit sei. Im sonstigen bin ich Dein zugeneigter kleiner Rupert, der aber jetzt ein großer geworden ist.‹
Nach sieben Tagen erhielt ich die Antwort: ›Kleiner, guter Rupert! Es ist bei mir immer die Klarheit, daß ich nach meinem Erkennen tue. Es wäre Dein Brief nicht nötig gewesen. Er freut mich aber. Du hast eine sehr schöne Handschrift bekommen. Ich erwarte Deine Ankunft und bin im übrigen Deine zugeneigte kleine Hiltiburg, die jetzt auch eine große geworden ist.‹
Ich legte den Brief in die Schublade.
Darnach verging der Sommer und der Herbst.
Am zwölften Tage des Monates Dezember verließ ich unsere Wohnung in der Stadt Nürnberg und reiste nach Wien.
Ich ging dort in das Haus, in welchem die Base Laran wohnte, bei der Hiltiburg war. Die Base sagte zu mir: »Sei gegrüßt, mein Vetter. Es freut uns, daß du gekommen bist, uns zu besuchen. Bleibe nur recht lange bei uns. Es ist auch recht schön, daß du gerade heute gekommen bist, morgen haben wir ein kleines Abendfest bei uns, zu welchem ich dich lade. Du wirst doch kommen?«
»Ich werde kommen«, sagte ich.
Dann schellte sie mit einer Glocke nach einer Magd und verlangte, daß sie die Kinder rufe.
Die Magd entfernte sich, und nach einer Weile traten die Töchter der Base, Mathilt und Ada, in das Zimmer.
Sie waren sehr schöne Mädchen geworden. Mathilt hatte ein rosiges Angesicht, ungewöhnlich große, braune, schimmernde Augen und sehr feine braune Haare. Ada hatte noch feinere blonde Haare, ein zarteres Angesicht und ebenso große, aber sanfte blaue Augen.
Die Mädchen reichten mir die Hände, wir begrüßten uns, wir sprachen unsere Freude aus, daß wir uns nach manchen Jahren wieder sehen, und redeten von unseren zunächst gelegenen Dingen.
Dann fragte ich nach Hiltiburg.
Die Base sagte: »Als ich die Kinder verlangte, war auch Hiltiburg einbegriffen. Ich werde aber noch einmal nach ihr senden.«
Sie sendete die Magd, und es kam die Antwort zurück: »Ich habe am heutigen Morgen gesagt, daß ich mich zu dem Feste vorbereite, und daß ich den ganzen Tag niemanden empfangen werde: was ich gesagt habe, muß ich halten. Den kleinen Vetter werde ich morgen sehen.«
Ich ging also an diesem Tage in meine Wohnung zurück, ohne Hiltiburg erblickt zu haben.
Am Abende des nächsten Tages ging ich später zu dem Feste der Base, als man gewöhnlich zu tun pflegt. Ich erinnere mich der Ursache nicht mehr, welche meine Verspätung veranlaßte. Da ich von dem Kleiderzimmer in das anstoßende Gemach trat, stand in demselben unter mehreren Menschen ein Mädchen, das auffälliger Weise ein schwarzes Seidenkleid an hatte. Von dem Kleide stand an dem Halse eine kleine weiße Krause empor. In den dunkeln Haaren war gar kein Schmuck, an der Brust aber
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