Werke
Kleider gäbe, sie auf einen goldenen Stuhl setzte und zum Kaiser und zur Kaiserin machte, und sie dir wegnähme, würdest du nicht betrübt sein?«
»Ich würde es sein«, sagte Stephan.
»Siehst du,« antwortete das Mädchen, »ich bin die Mutter der Großmutter, ich bin ihre Schwester, ich bin ihre Obrigkeit, ich bin ihre Magd, ich muß bei ihr bleiben.«
»Juliana, die Großmutter geht auch mit uns«, sagte Stephan.
»An einem andern Orte würde die Großmutter sterben«, antwortete das Mädchen.
»Juliana,« erwiderte der alte Stephan, »wenn du nicht mit uns gehst, dann müssen wir uns auf immer trennen. Damit du Franzens Weib werden könntest, müßtest du noch vieles lernen, und müßtest dazu in eine andere Welt kommen, als hier ist Wie ihr hier seid, könnt ihr nicht bleiben. Und damit meinem Enkel Franz nicht zu sehr das Herz weh tut, wenn er dich öfter sähe, kann ich im nächsten Sommer und in allen nächsten Sommern nicht mehr in den Wald kommen, damit er dich vergißt.«
»Er wird mich vergessen, und es wird alles gut sein«, sagte das Mädchen.
Bei diesen Worten quollen ihm große Tropfen aus den schwarzen Augen und rannen über die Wangen herunter. Es waren die ersten Tränen gewesen, die Stephan an dem Kinde gesehen hatte.
»Juliana, Mädchen,« sagte er, »tue, wie du willst.«
Das Mädchen ging zu ihm hin und küßte ihm zum ersten Male die Hand.
Dann ging es schweigend zu der Tür hinaus.
Die zwei anderen Kinder saßen mit Tränen übergossen auf ihren Stühlen.
Stephan legte auf jedes Haupt eine seiner Hände und sagte: »Es ist recht schön von euch, daß ihr folgsam gewesen und kein Wort drein geredet habt. Lassen wir Gott seinen Willen, wie er alles fügt. Jetzt geht mit mir zu dem Schwarzbache und in den langen Wald hinunter.«
Die Kinder schluchzten fort, suchten hierauf ihre Tränen zu bemeistern, wischten sich mit ihren Taschentüchern ab, richteten sich in Ordnung und folgten ihm in das Freie.
Stephan war nun anders gegen Juliana und ihre Angehörigen. Gegen das Mädchen war er noch freundlicher und gütiger als früher. Ihrer Mutter und ihrer Muhme gab er Geld, daß sie sowohl sich als auch Juliana und der Großmutter bessere Kleider und sonst noch andere Notwendigkeiten anschaffen konnten. Er gab auch sogar Stoffe zu manchen Dingen in das Haus. Magdalena hatte ein Kalb, das ihr die Kuh gebracht, und das sie sehr geliebt hatte, aus Bedrängnis verkaufen müssen. Dieses kaufte Stephan als halbgewachsenes Tier wieder zurück und ließ es in das Holzhäuschen bringen. An die Wiese jenseits der Gebüsche, die zu dem Häuschen gehörte, grenzte ein Stück, welches feil war. Stephan kaufte es und gab es Magdalena. Vor allem aber ließ er Werkleute kommen und ließ einen hölzernen Zubau zu Julianas und der Großmutter Wohnung beginnen, der noch fertig werden mußte, so lange er da war. Das Gemach Julianas und der Großmutter sollte unverändert bleiben, nur sollte man von ihm noch in eine schöne, geräumige Stube kommen können. Und als alles fertig war, stand die Stube da, sie glänzte hell von vier Fenstern, prangte mit einem grünen Ofen und reinen Geräten. Juliana und die Großmutter waren erfreut. Magdalena und Anna dankten Stephan für das viele Gute, das er ihnen tat, und das so zahlreich sei, daß man es kaum begreifen könne.
Der alte Stephan besah alles, was er getan hatte, und rüstete sich zur Abreise.
Als die Reife gekommen waren, wurde ein Wagen mit allem bepackt, was in dem Schreinerhäuschen gewesen war, und wurde fortgesendet. Dann nahm man Abschied, und Stephan fuhr mit den Kindern davon.
Und der wilde Winter kam, die Nächte waren wieder lang, die Flocken fegten wieder das Land gegen Breitenberg hin, und die Kälte war in den Lüften. Aber auch der Frühling kam, die Gesträuche und Bäume blühten, die Tannen setzten die neuen Spitzen an und bekamen die roten Zäpfchen, Blumen und Gräser waren da, über dem kleinen Felde, das von Gebüschen umgeben war, auf dem wieder Winterkorn empor wuchs, und an dem das neue, glänzende Holzhäuschen stand, sang wieder die Lerche; aber der Wagen mit Stephan und den Kindern kam nicht mehr, und an der Mühle stand kein Mädchen mehr, ihn zu erwarten. Das kleine Schreinerhäuschen war leer und gesperrt, und Crescentia war zu den Ihrigen gegangen.
So ging der Sommer hin.
In dem nächsten Sommer war es wieder so. Das Schreinerhäuschen war leer; denn Stephan kam nicht und vermietete es nicht. Nur Crescentia besuchte es
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